Im Jahre 1956 schrieb Tittel nach anatomischer und sportmedizinischer Analyse das Lehrbuch „funktionelle Anatomie” [1]. Für die Sportmedizin und Trainingswissenschaft war dies ein Meilenstein der Übertragung eines „systematischen Denkens und Handels in Funktionen“ aus der Sportphysiologie in die Sportanatomie, nicht ohne Wirkung auf die klinische Medizin.
In der klinischen Medizin hat funktionelles Denken z. B. über die „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit“ (ICF) Beachtung gefunden, indem die Wechselwirkung zwischen Schädigungen der Körperstrukturen und Funktionen, der Beeinträchtigung von Aktivitäten und Teilhabe und deren Kontextfaktoren beschrieben werden. Gegenüber einer zunehmenden Gerätemedizin wenden sich Orthopäden, Sportärzte und Manualmediziner wieder einer funktionsorientierten Sicht zu, z. B. in einem Grundlagenmodell für die Diagnostik und Therapie unspezifischer Rückenschmerzen [2].
Funktionelles Denken
Im Sport wird sich seit Beginn unseres Jahrhunderts vermehrt auf ein so genanntes „funktionelles Training“ orientiert. Unter dieser Bezeichnung werden unterschiedliche, zweckorientiert auf die Sportart des Athleten abgestimmte, Trainingsaspekte eingeführt: Nutzung der Körperhaltung, Körpergewicht als Widerstand, Training auf instabilen Oberflächen, Muskeln mit Stabilisierungsfunktion speziell ansprechen, Aufbau propriozeptiver Fähigkeiten. Auch die mit „neurophysiologisch“ bezeichneten Trainings- und Therapiemaßnahmen untermauern funktionelles Denken. Es geht dabei darum, ohne das Kraft- und Techniktraining zu vernachlässigen, auch Fertigkeiten in einem breiteren Maße ständig zu trainieren, z. B. in der Ausführung multidimensionaler Bewegungen [3]. Allgemein wird „funktionelles Training oft als Training definiert, das darauf abzielt, die situativen Bedürfnisse und Einschränkungen realer Aktivitäten in die Trainingsumgebung einzubringen, um die Trainingseffektivität zu verbessern“ [4]. „Sportwissenschaftler und Trainer sollten langfristige Trainingsstrategien implementieren, die die größtmögliche Muskelkraft im erforderlichen Kontext der jeweiligen Sportart/Veranstaltung fördern“ [5]. Physiologisch betrachtet bedeutet dies, die Muskelkraft spezifisch im Rahmen sportarttypischer sensomotorischer Muster zu entwickeln. Funktionelles Training zielt darauf, den Entwicklungsprozess der Bewegungsfertigkeiten von einer Qualifikationsstufe in eine andere Qualifikationsstufe zu überführen. Es ist notwendig, diesen Prozess zu verkürzen und in gewissen Intervallgrenzen steuer- und regelbar zu machen, um wissenschaftlich begründete Prognosen aufstellen und trainingswissenschaftliche Aufgaben besser lösen zu können. Mit anderen Worten: es ist eine Technologie zur Erarbeitung des „inneren Bewegungsmodells“ zu entwickeln, die eine spürbare Beschleunigung des motorischen Lernprozesses gewährleistet.
In der sportärztezeitung erfolgte bereits eine Vorstellung des „funktionellen Systems des Verhaltens nach P.K. Anochin“ [5, 6] als zyklischer sensomotorischer Regelkreis mit Betonung der Reafferenz des erzielten Bewegungsresultates zum ZNS sowie mit den programmbildenden und kontrollierenden Einheiten des ZNS [7], welches auch als ein „kybernetisches Modell“ für die Vervollkommnung von Fähigkeiten und Fertigkeiten gesehen werden kann, da es die dafür notwendigen Kontroll- und Regelkreise miteinander verbindet (Ausgabe 03/19) [8]. Die als „kybernetisch“ ursprünglich in der Physik und Technik entwickelte Denkweise ist inzwischen auf biologische und physiologische Funktionen und deren Optimierung bzw. Störungen übertragen worden. Für den Trainingswissenschaftler ergibt sich daraus die Möglichkeit, ja, die Notwendigkeit, die einzelnen Bestandteile im Bewegungssystem – Regelkreises, Sensor, Regler, Stellglieder, Effektor – sowie die Art der Informationsübertragung (Nervenimpulse, Botenstoffe) und die Messgrößen aus der Bewegung für die Optimierung und Erweiterung der Kontrolle sportartspezifischer leistungsbestimmender Bewegungsabläufe zu analysieren, darzustellen und in einem funktionellen Training umzusetzen.
Strukturen, Prozesse, Zustände und Resultate
Ein biokybernetisches Trainingsmodell versteht die Bewegung als sensomotorische Kontroll- und Adaptationsleistung des Bewegungssystems im Zentrum von Handlungsresultaten. Unter Bewegungssystem verstehen wir die Gesamtheit jener mit Bewegungs- und Haltungsaktivität verbundenen Strukturen, Prozesse, Zustände und Resultate [9]. Das Bewegungssystem generiert reflektorische, rhythmische und willkürliche Bewegungen, die im hohen Maße Individualität aufweisen. Personen lassen sich anhand ihrer typischen Bewegungen erkennen: Gang, Schrift, musikalische Identität eines Geigers, Eleganz einer Turnerin. Funktionelles Training bedeutet, auch die Individualität des Bewegungssystems als Vorteil zur Ausprägung hoher Leistungen zu nutzen. Üblicherweise charakterisiert man die Leistungsfähigkeit eines Sportlers anhand seiner konditionellen und koordinativen Fähigkeiten. Die konditionellen Fähigkeiten werden dabei aufgrund ihrer vermeintlich guten Messbarkeit meist bevorzugt in die Trainingssteuerung eingesetzt, bevorzugt gegenüber den koordinativen Fähigkeiten. Die erzeugten reflektorischen, rhythmischen und willkürlichen Bewegungen bzw. Bewegungskomponenten sind alle auch Grundlage der konditionellen Fähigkeiten Kraft, Schnelligkeit (unter funktionellem Aspekt eigentlich „Beschleunigung“!) und Ausdauer, sie stehen unter permanenter Kontrolle des Zentralnervensystems.
Die aktive Bewegung als motorische Leistung nutzt die gesamten physiologischen Ressourcen unseres Körpers, in die alle Funktionen ausführend und koordiniert einbezogen sind. Damit ergibt sich physiologisch ein Zusammenwirken eines „Ressourcenraumes“ mit dem „ Funktionsraum“ (Abb. 1), wobei die einzelnen Funktionen – Lösung physiologischer Aufgaben – auf den verschiedenen Ebenen von Mikro (Zelle) bis Makro (Mensch/ Gesellschaft) verlaufen und sowohl in einer Ebene als auch über die verschiedenen Ebenen hinweg untereinander hierarchisch verknüpft sind [10]
- Unter Ressourcenraum verstehen wir die Abläufe des Gasaustausches, der Verdauung, des Stoffwechsels (phosphogen, aerob, anaerob)
- Der motorische Funktionsraum besteht aus der Sensomotorik (inkl. Wahrnehmung, Motivation und Gedächtnis)
- Der Ressourcenraum ermöglicht die Erweiterung der Freiheitsgrade im Funktionsraum
- Der Funktionsraum erweitert quantitativ und qualitativ den Ressourcenraum
Daraus entnehmen wir:
- Die Nutzung der Funktion bestimmt die Struktur (Form/Matrix),
- was kontrollierbar ist verfügbar
Die regenerativen und funktionskonditionierenden Potenzen in den Strukturen des sensomotorischen Systems können durch Beanspruchungen gezielt aktiviert und damit sowohl leistungssteigernde als auch therapeutische Effekte erzielt werden. Dosierungsabhängig und der individuellen Ausprägung der koordinativ-konditionellen Fähigkeiten angepasst, können funktionsorientierte Trainingsmaßnahmen auch zur Entwicklung spezieller sportlicher Leistungsnormen eingesetzt werden. Auch im funktionellen Leistungstraining ist eine effektive Beanspruchung von der Erzeugung gut dosierbarer und gut kontrollierbaren Beanspruchungen abhängig, insbesondere auch von der kontrollierten Beanspruchung der Koordination. Die Wirkung beruht auf der Erkenntnis: Die sensomotorischen Systeme sind fähig, Lernstrategien zu entwickeln, um ihr Systemverhalten aufgabenspezifisch zu optimieren. Dabei vervollkommnet sich sowohl die Bewegungsvorstellung als „instruktives inneres Modell“ als auch das Bewegungsprogramm als „operatives inneres Modell“. Die Optimierung und Entwicklung muskulärer Leistungsabgabe gilt als grundlegend für die erfolgreiche Durchführung sportlicher Aktivitäten. Viele Forschungen haben Methoden untersucht, um die Leistungsabgabe und deren Übertragung auf sportliche Leistung zu verbessern. Ein Problem, das Vergleiche zwischen Studien schwierig macht, sind die verschiedenen Modi der Dynamometrie (isometrische, isokinetische und isoinertial) zur Messung von Stärke und Kraft [12]. Es ist anerkannt: isokinetische und isometrische Beurteilung haben wenig Ähnlichkeit mit der beschleunigenden / entschleunigenden Bewegung, wie sie Grundlage jeder Bewegung sind. Die menschliche Bewegung ist eine Integration von Kraft und Beschleunigung (Schnelligkeit), die meist intuitiv gewählt wird. Die Muskulatur hat sich physiologisch an diese verschiedenen Bedingungen angepasst und ein Spektrum verschiedener Muskelfasern entwickelt mit unterschiedlichen, biochemischen und kontraktilen Eigenschaften und mit den zugehörigen nervalen Verschaltungen der spinalen Neuromodulation. Muskeln und ihre sensomotorische Kontrolle entwickeln sich und adaptieren individuell entsprechend ihrer spezifischen Beanspruchung, – entsprechend ergibt sich eine höhere oder verringerte Leistungsfähigkeit.
Sensorbestückte und computergestützte Test- und Trainingsgeräte (CTT)
Dosierungen in Trainingsregimen basieren kaum auf begründeter, aktuell diagnostizierter konditioneller Fähigkeit. Der funktionelle Anpassungsverlauf hinter den mit Kraft- und Schnelligkeitstraining verbundenen koordinativen Fähigkeiten wird wenig verfolgt. Die sportmedizinisch gestützte Trainingsmethodik besitzt zwar ausgefeilte sportartspezifische Konzepte zur Erhöhung der konditionellen Fähigkeiten, aber diese sind ebenfalls oft einseitig auf spezielle Leistungsnormen ausgerichtet (Sprungkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer, aerobe Ausdauer, Akrobatik). Nur in wenigen Fällen erfolgt ein funktionelles Training, neuerdings auch als „neurozentriertes Training“ bezeichnet, ausgerichtet auf Verbesserung der Koordination und der einbezogenen Sinnesafferenzen. In den Kampfsportarten wurde in der DDR die Reaktion der sensomotorischen Systeme der Skelettmotorik auf definierte Belastungen ihrer Funktionalität getestet und trainiert. Eine Voraussetzung für die im Folgenden beschriebenen Konzepte war die enge kooperative Zusammenarbeit von Biomechanik, Neurophysiologie und Sportmedizin, deren Forschungslabore sich unmittelbar nebeneinander an der Halle zur Leistungsdiagnostik befanden. Die regelmäßigen Leistungstests überwachten nicht nur energetische Leistungsparameter, sondern auch Parameter der neurophysiologischen Aktivierungsfähigkeit, als Basis koordinativer Leistungen. In diesem Zusammenhang wurde auch das mentale Training zum spezifischen Einsatz in verschiedenen technischen Sportarten entwickelt. Für definierte sensomotorische Belastungen wurden sensorbestückte und computergestützte Test- und Trainingsgeräte (CTT) in Leipzig entwickelt und gebaut. Diese Geräte konnten die geforderten Trainingsbelastungen vorgeben und gleichzeitig die abgegebene reaktive Leistung mit den Vorgaben vergleichen. Den theoretischen Hintergrund solcher Trainingsgeräte bilden neurophysiologische und kybernetische Aspekte der Beanspruchung und Vervollkommnung der skelettmotorischen Antriebe (SMA). Dieses Gerätesystem wurde bis heute unter klinischen und gesundheitssportlichen sowie trainingsmethodischen Aspekten zu einem kybernetischen Konzept weiterentwickelt und mit dem Namen „Biofeedback Motor Control“ versehen. Das Konzept realisiert und kombiniert in Einheit Test- und Trainingsgerät. Gemessen werden konditionelle Leistungen und koordinative Fähigkeiten als Basis für das unmittelbar anschließende, darauf beruhende, auf Vervollkommnung der motorischen Kontrolle ausgerichtete funktionelle Trainingsprogramm, ohne dabei die Parameter der Kondition zu vernachlässigen. Teilweise waren die Geräte so konstruiert, dass die Realisierung der geforderten Bewegungsabläufe, wie z. B. eine simulierte Wurfbewegung des Ringens, zusätzlich durch unvorhergesehene Gegenkräfte gestört werden konnte und so den Charakter eines „Kampfroboters“ erhielt. Auch hier im Vordergrund der Aspekt des Bewusstmachens und die Variabilität der Bewegungsabläufe. Ein Aspekt, der auch auf militärische Bewegungsabläufe (Flugmanöver) übertragen wurde. Der Trainierende erhält über einen Monitor Rückkopplung über die erreichten Zielparameter und kann so laufend seine Koordinationsleistung, die gleichzeitig mit und hinter der konditionellen Leistung abläuft, kontrollieren und anpassen, – Bewegungsvorstellung und Bewegungsprogramm werden geschult und gefestigt. Das Gerätekonzept realisiert mehrere Komponenten, die sich ergänzen (Rumpf, obere, untere Extremitäten) und im Vergleich mit üblichen Fitnessgeräten, mehrere derer Komponenten beinhalten [11]. Das biokybernetische Konzept stellt mit den programmierbaren Geräten einen gezielten Input bereit.
Der Trainierende erhält den Input als Eingangsfunktion auf einem Monitor vorgegeben, in Form einer Sprungfunktion oder als Sinusfunktion mit variierbaren Amplituden und Frequenzen. Diese „Vorgabefunktion“ ist vom Trainierenden am Gerät als dynamische Kraft- und Beschleunigungsänderung zu realisieren, indem er die vom entsprechenden Sensor am Gerät aufgenommene „Folgefunktion“ auf dem Monitor präsentiert bekommt, diese mit der Vorgabefunktion vergleicht und Abweichungen korrigiert. Die Auswertung der Differenz zwischen Vorgabe- und Folgefunktion ermöglicht objektiv messbare Parameter der aktuellen koordinativen Fähigkeit zu ermitteln, die unmittelbar der Leistungsobjektivierung und Trainingssteuerung dienen. Aus neurophysiologischer Sicht wird über den Input die Afferenz für das Bewusstmachen und für die Engrammbildung der motorischen Bewegungsmuster (motor pattern), sowohl als kinematisches Muster als auch als neurophysiologische Matrix, erzeugt.
Konzentration auf den Bewegungsablauf ohne Handy und ohne Kopfhörer
Die Beanspruchung enthält quantitativ-energetische und qualitativ-koordinative Komponenten, die der Trainer über die Gerätesoftware in Abhängigkeit von der Zielstellung und der speziellen Gestaltung und Zusammensetzung der einzelnen Zielkomponenten in vielfältiger Form, individuell anpassbar bereitstellen kann. Im Rahmen eines funktionellen Krafttrainings erfolgt die Beaufschlagung der zu trainierenden, zu konditionierenden SMA mit gut reproduzierbaren Belastungen. Zu beachten: „das funktionelle Krafttraining ist nach den Prinzipien eines motorischen Lernprozesses zu organisieren, denn die beabsichtigte Veränderung des motorischen Verhaltens der in das Training einbezogenen SMA ist das Ergebnis eines motorischen Lernprozesses.“ Dies wird möglich durch die standardmäßigen Leistungen des Gerätesystems:
Weitgehend beliebige Gestaltung bzw. Programmierung der
Übungsstruktur
- Exakte Dosierung der Belastung
- Erzeugung gut reproduzierbarer Belastungsprofile
- Steuerung des Trainings über Online-Biofeedback-Methoden
- Dokumentation und Speicherung der persönlichen Daten des Probanden
- Anzeige von Ergebnissen, Dokumentation und Archivierung
- Sicherung und Kontrolle der Reproduzierbarkeit der Belastungsstruktur
Ein Kern des Konzeptes ist die Einbeziehung bewussten Verhaltens des Trainierenden in die Ausführung der Trainingsbewegungen, die an den kybernetisch fundierten Geräten durch die Anforderung erzwungen wird und, wenn dann adaptiv ausgebildet, auf andere Trainingskomponenten übertragen werden kann. Das bedeutet für die Realität, dass auch bei reinem „Krafttraining“ oder auch bei „Schnellkrafttraining“ volle Konzentration auf den genauen sportartspezifisch bezogenen Bewegungsablauf gefordert wird, also ohne Handy und ohne Kopfhörer. Durch das bewusste Variieren der Bewegungsabläufe werden die Freiheitsgrade (bewusste Variabilität) erhöht, da bisherige Studienergebnisse vermuten lassen, dass Kraftvariablen möglicherweise von größerer Bedeutung für die Verbesserung der funktionellen Leistung sein können [11]. Die vielen in der Sportmethodik formulierten Fertigkeiten sind letztlich auch von der Vervollkommnung koordinativer Leistungen abhängig, ohne die psychischen und sozialen Aspekte zu unterschätzen. Die den gut gefestigten sportmotorischen Fertigkeiten zugrundeliegenden Steuer- und Regelprozesse beschränken sich im Laufe des motorischen Lernprozesses auf die niederen neuronalen Zentren der hierarchisch organisierten sensomotorischen Teilsysteme. Sie erreichen so ein Stadium der automatisierten und unbewussten Ausführung, was aber nicht bedeutet, dass diese nicht ins Bewusstsein gerufen werden können, z. B. in einer bewussten Analyse nach der Bewegungsausführung. Da das Leistungs- und Beanspruchungsniveau der beteiligten energetischen und sensomotorischen Prozesse physiologischen Schwankungen unterliegt bzw. durch psychische Prozesse und soziale Beziehungen beeinflusst wird und sich in diesen widerspiegelt, ist die Festigung des inneren Modells der Bewegungsfertigkeit immer wieder durch „Bewusstmachen“ – bewusste Ausführung – zu schärfen. Je öfter und konsequenter umso besser. Vielleicht ist das vergleichbar mit einem Ausdauertraining, bei dem der Trainierende die letzten zehn Minuten ab und zu weglässt, de facto kann er dann auf die ganze Trainingseinheit verzichten. Daher die obige Forderung nach Verzicht auf Musikhören beim Krafttraining, da ja Krafttraining auch ein koordinatives Training sein soll, welches über das Bewusstsein den Aufbau des inneren Bewegungsmodells befördert.
Folgerungen für die Praxis
Ein stärkerer systemtheoretischer Blick auf die Vervollkommnung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten sollte auch in etablierten Regimen von Kraft- und Schnellkrafttraining riskiert werden. Letztlich hilft das Bewusstmachen der Bewegung und der Engrammbildung der motorischen Bewegungsmuster auch, das Verletzungsrisiko zu senken. Die auf das Hochleistungstraining bezogenen kybernetischen Ansätze gelten im vollen Umfange auch für das so genannte „Konditionieren“ im Gesundheitstraining und in der Rehabilitation ohne Unterschied von Altersklassen. Vermehrtes kybernetisches Denken im Leistungssport sollte zu systemorientiert konzipierten Trainingsgeräten führen bzw. Vorhandenes stärker einbeziehen. Nicht zuletzt ist die Forschung gefragt, bezüglich der koordinativen Fähigkeiten wieder stärker aktiv zu werden, da sie der großen (quasi unendlichen) Zahl von Fertigkeiten wie auch den konditionellen Fähigkeiten zugrunde liegen. Alte bewährte Parameter (Tracking, Tapping, Tetanusverschmelzungsfrequenz, flicker fusion u.v.a) sollten wieder aufgegriffen werden, neue Parameter für die Objektivierung der eingangs erwähnte Individualität der Sensorik und Motorik abgecheckt werden.
Als Co-Autor hat Dr. sc. nat. Georg Blümel aus Leipzig (BfMC GmbH) an dem Artikel mitgearbeitet.
Literatur
[1] Tittel K. (1956) Beschreibende und funktionelle Anatomie. G. Fischer; 2016 in 16. überarbeiteten Auflage Kiener-Verlag
[2] Liefring V. Vinzelberg S, Seidel B, Beyer L (2020) Von der Funktionsstörung zur Funktionserkrankung – Ein Modell als Grundlage für die Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen. Deutscher Ärzteverlag | OUP | Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis | 2020; 9 (5)
[3] Boyle M (2012) Fortschritte im Funktionell Training. rita-Verlag München
[4] Ives JC and Shelley GA. Psychophysics in functional strength and power training: Review and implementation framework. J Strength Cond Res 17: 177–186, 2003.
[5] Suchomel TJ et al. (2016) The Importance of Muscular Strength in Athletic Performance. Sports Med DOI 10.1007/s40279-016-0486-0
[6] Anochin PK (Anokhin). 1964. Systemogenesis as a general regulator of brain development. s.l.: Progress in brain research. Vol 9: 54-86, 1964.
[7] Beyer L. (2019) Funktionelle Reagibilität – Grundlage optimalen Trainings und hoher sportlicher Leistungen. sportärztezeitung 03/2019, 51-52
[8] Bernstein NA (1956) Bewegungsphysiologie. JA Barth
[9] Pol R, Hristovski R, Medina D, Balague N. 2019. From microscopic to macroscopic sports injuries. Applying the complex dynamic systems approach to sports medicine: a narrative review. Br J Sports Med. 2019, Bde. 53: 1214-1220 DOI 10.1136/bjsports-2016-097395.
[10] http://www.bfmc.info/eng/index.php?cs=1 (Abruf zuletzt 22.08.22)
[11] John Cronin J and Sleivert G (2005) Challenges in Understanding the Influence of Maximal Power Training on Improving Athletic Performance. Sports Med 2005; 35 (3): 213-234 review article 0112-1642/05/0003-0213/$34.95/0
Autoren
ist Facharzt für Physiologie mit Lehrauftrag an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Er ist Herausgeber der Zeitschrift Manuelle Medizin.