Im März 2020 war laut DFB-News Luca Kilian der erste deutsche Fußballprofi, der an COVID-19 erkrankte. Er war somit ein frühes Beispiel dafür, dass selbst junge und trainierte Hochleistungssportler an COVID-19 erkranken können. Für sportlich Aktive bedeuten Infekte meist Rückschläge in der Leistungsfähigkeit und Trainingsroutine.
Was für Hobbysportler eher frustrierend ist, kann für Leistungssportler eine Herausforderung für den Wiedereinstieg ins Training und eine zeitnahe Wettkampfaufnahme darstellen. Denn in der Regel ist es im Leistungssport das Ziel, möglichst schnell wieder in das Trainings- und Wettkampfgeschehen einzusteigen, ohne hierdurch mögliche gesundheitliche Risiken einzugehen.
Pathomechanismus der SARS-CoV-2-Infektion
Ging man zunächst davon aus, dass es sich bei SARS-CoV-2 primär um einen Erreger der Atemwege handelt, zeigten sich im weiteren Verlauf der Pandemie auch Multiorganmanifestationen, z. B. mit Beteiligung von Herz, Niere, Darm, Gehirn und Muskulatur. Über die Bindung an den ACE-2-Rezeptor gelangt das Virus in die Zelle und kann durch Herabregulierung dieses Rezeptors zum Überwiegen der profibrotischen Angiotensine führen. Zusätzlich kommt es zu einer Überaktivierung des angeborenen Immunsystems mit Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) und einer Endothelaktivierung mit Neigung zur Thrombenbildung. Hieraus resultiert u. a. eine Konstellation aus systemischer Entzündungsreaktion, Endothelveränderung mit prokoagulatorischen Effekten und Fibrosierungen, die sich in verschiedenen Organsystemen manifestieren können. Diesen Pathomechanismus gilt es, auch bei der späteren Diagnostik für Return to Sport zu berücksichtigen.
Risiken
Selbst bei einem asymptomatischen bis milden Verlauf sollten mögliche nachträgliche Auswirkungen der Infektion nicht unterschätzt werden. Auch bei jungen, gesunden Sportlern, die einen asymptomatischen oder milden Verlauf durchgemacht haben, können u. a. kardiale Komplikationen wie beispielsweise eine Myokarditis oder Perikarditis auftreten. Weitere relevante Komplikationen können Arrhythmien oder Tachykardien, Lungenfibrosen oder thromboembolische Ereignisse sein. Liegen solche Erkrankungen unbemerkt vor, steigt das Risiko von Folgekomplikationen bei unzureichender Ausheilung und einem verfrühten Trainings- oder gar Wettkampfstart. Zur Häufigkeit der Myokarditis bei Infektionen mit SARS-CoV-2 wurden mittlerweile zahlreiche Studien publiziert. Während zu Beginn der Pandemie eine Inzidenz von 60 % und mehr berichtet wurde [1], zeigten sich in Folgestudien deutlich geringere Zahlen. Nach aktuellen Publikationen kann man davon ausgehen, dass eine Myokarditis bei etwa 1 – 2 % der Leistungssportler auftritt [2], während die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung in größeren Studien mit 0,6 – 18 % angegeben wird (Cates et al., 2020; Abrams et al., 2021). Ist eine Myokarditis vorhanden, muss eine Sportpause eingelegt werden. Selbst milde Verläufe bringen das Risiko von Fibrosierungen und Folgekomplikationen mit sich. Ein aktuelles Beispiel für eine Myokarditis nach COVID-19 ist der Fußballspieler Alphonso Davies, bei welchem laut Trainer Nagelsmann eine „leichte Herzmuskelentzündung“ diagnostiziert wurde. Aus früheren SARS-Epidemien ist bekannt, dass Patienten auch nach zwei Jahren Beobachtungszeit eine beeinträchtigte Lungenfunktion und Diffusionskapazität mit einer insgesamt verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit aufweisen können [3]. Ähnliche Ergebnisse werden auch in Publikationen zu COVID-19 beschrieben [4]. Beispielsweise berichten Studien von einer verringerten FEV1 [5] oder einer verringerten maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) [6].
Empfehlungen: Return to Sport nach COVID-19
Aufgrund der möglichen Komplikationen einer SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung stellt sich die Frage, wie sich Menschen an gewohnte sportliche Belastungen herantasten sollen und welche medizinischen sowie leistungsdiagnostischen Untersuchungen notwendig sind [7]. Vergleicht man dahingehend die aktuelle Literatur, so findet man unterschiedliche Return to Sport-Protokolle von verschiedenen Autoren. So empfehlen Phelan et al. in ihrem Konsensus, dass selbst asymptomatische Personen erst zwei Wochen nach dem ersten positiven Test das Training wieder aufnehmen sollen. Symptomatische Patienten sollten zusätzlich ein EKG sowie eine Echokardiographie durchführen lassen [8]. Die zu Beginn der Pandemie von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) verfassten Empfehlungen für Sportler orientieren sich am Verlauf der COVID-19-Erkrankung [9]. Personen mit asymptomatischem Verlauf wird geraten, zwei Wochen auf intensive Belastungen zu verzichten. Handelt es sich um einen unkomplizierten symptomatischen Verlauf (u. a. Halsschmerzen, Husten, Fieber), wird eine Pause von zwei bis vier Wochen empfohlen. Liegt zusätzlich eine Pneumonie vor, sollte die Sportpause mindestens vier Wochen betragen. Bei einer Myokarditis empfehlen sowohl die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) als auch die amerikanischen Fachgesellschaften für Kardiologie (American Heart Association und American College of Cardiology) unabhängig von der Ursache und Ausprägung eine drei- bis sechsmonatige Sportpause [10].
Untersuchungen vor Return to Sport
Ein graduierter Return to Sport kann laut Elliott et al. nach mindestens zehn Tagen Ruhe, gefolgt von sieben Tagen Symptomfreiheit und nach Absetzen aller Medikamente durchgeführt werden [11]. Zunächst sollte jedoch vor dem Wiedereinstieg eine Untersuchung durchgeführt werden. Die DGSP empfiehlt bei asymptomatischen Verläufen eine Routineuntersuchung (Anamnese, körperliche Untersuchung und Blutwertbestimmungen) mit Ruhe-EKG. Bei symptomatischen Verläufen sollte zusätzlich ein Belastungs-EKG mit O2-Sättigung, eine Echokardiographie sowie eine Spirometrie durchgeführt werden. Wurde zusätzlich eine Pneumonie diagnostiziert, sollte die Untersuchung um eine Bodyplethysmographie sowie Spiroergometrie mit Blutgasanalyse erweitert werden. Wenngleich eine Myokarditis mittels Troponin-Bestimmung weder mit Sicherheit diagnostiziert noch ausgeschlossen werden kann, sollte diese bei kardialen Auffälligkeiten erfolgen. Zur Diagnosesicherung einer Myokarditis dient als nicht-invasiver Goldstandard ein kardiales MRT. Ähnlich lauten auch die Empfehlungen aus dem Konsensus der sportmedizinischen Universitäts- und Landesinstitute Wien, Salzburg und Innsbruck für (Hoch-)Leistungssportler [12].
Während bei professionellen (Hoch-)Leistungssportlern aus beruflichen Gründen in der Regel ein möglichst schneller Wiedereinstieg ins Trainings- und Wettkampfgeschehen angestrebt wird, und hierfür z.T. auch eine sehr umfangreiche Diagnostik durchgeführt wird, haben Hobby- und Gesundheitssportler Zeit. Diese sollten sich Betroffene auch nehmen, um etwaige Komplikationen durch einen zu frühen Wiedereinstieg in den Sport zu vermeiden. Fühlen sich die Personen fit und uneingeschränkt belastbar, kann nach einem unkomplizierten Verlauf mit unauffälliger Basisdiagnostik das gesundheits- und hobbysportliche Training wieder aufgenommen werden. Empfehlenswert ist, den Wiedereinstieg individuell und graduell an die aktuelle Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit anzupassen. Unter Kontrolle der individuellen Befindlichkeit sollten zunächst die Trainingsfrequenz, dann die Dauer und zuletzt die Intensität gesteigert werden. Körperliche Auffälligkeiten wie eine erhöhte Herzfrequenz, Palpitationen, Dyspnoe oder eine ungewöhnliche Erschöpfung sollten beobachtet und gegebenenfalls rechtzeitig abgeklärt werden.
Fazit
Im Vergleich zu den bei Sportlern sonst üblichen Infekten der oberen Atemwege, sollte bei COVID-19 aufgrund der möglichen Multiorganbeteiligung im Falle von Unklarheiten eine etwas umfassendere medizinische Abklärung vor Return to Sport erwogen werden. Vor dem sportlichen Wiedereinstieg werden derzeit als Basisdiagnostik eine Anamnese, körperliche Untersuchung, Bestimmung ausgewählter Blutparameter und ein Ruhe-EKG empfohlen, welche symptomorientiert durch weitere Untersuchungen ergänzt werden kann.
Weitere Autoren des Artikels sind: BASTIAN BAUER / KATHRIN HUMANN / UNIV.-PROF. DR. PHIL. RHOIA NEIDENBACH
Literatur
1. Puntmann, V.O., et al. Outcomes of Cardiovascular Magnetic Resonance Imaging in Patients Recently Recovered From Coronavirus Disease 2019 (COVID-19). JAMA Cardiol, 2020. 5(11): p. 1265-1273.
2. Starekova, J., et al. Evaluation for Myocarditis in Competitive Student Athletes Recovering From Coronavirus Disease 2019 With Cardiac Magnetic Resonance Imaging. JAMA Cardiol, 2021. 6(8): p. 945-950.
3. Ngai, J.C., et al. The long-term impact of severe acute respiratory syndrome on pulmonary function, exercise capacity and health status. Respirology, 2010. 15(3): p. 543-50.
4. Torres-Castro, R., et al. Respiratory function in patients post-infection by COVID-19: a systematic review and meta-analysis. Pulmonology, 2021. 27(4): p. 328-337.
5. Komici, K., et al. Clinical Characteristics, Exercise Capacity and Pulmonary Function in Post-COVID-19 Competitive Athletes. J Clin Med, 2021. 10(14).
6. Skjorten, I., et al. Cardiopulmonary exercise capacity and limitations 3 months after COVID-19 hospitalisation. Eur Respir J, 2021. 58(2).
7. Halle, M., et al. Exercise and sports after COVID-19-Guidance from a clinical perspective. Transl Sports Med, 2021. 4(3): p. 310-318.
8. Phelan, D., J.H. Kim, and E.H. Chung. A Game Plan for the Resumption of Sport and Exercise After Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Infection. JAMA Cardiol, 2020. 5(10): p. 1085-1086.
9. Nieß, A.M., Bloch W., Friedmann-Bette, B.; Grim, C.; Halle, M., Hirschmüller, A., Kopp, C., Meyer, T., Niebauer, J., Reinsberger, C., Röcker, K., Scharhag, J., Scherr, J., Schneider, C., Steinacker, J. M., Urhausen, A., Wolfarth, B., Mayer, F. Position stand: return to sport in the current Coronavirus pandemic (SARS-CoV-2 / COVID-19). . Dtsch Z Sportmed. , 2020. 71.
10. Pelliccia, A., et al. Recommendations for participation in competitive and leisure time sport in athletes with cardiomyopathies, myocarditis, and pericarditis: position statement of the Sport Cardiology Section of the European Association of Preventive Cardiology (EAPC). Eur Heart J, 2019. 40(1): p. 19-33.
11. Elliott, N. et al., Infographic. Graduated return to play guidance following COVID-19 infection. Br J Sports Med, 2020. 54(19): p. 1174-1175.
12. Scharhag, J., Niebauer, J., Schobersberger, W. “Return to Sports“ im (Hoch-)Leistungssport nach COVID-19: Konsensus der sportmedizinischen Universitäts- und Landesinstitute Wien, Salzburg und Innsbruck. 2020.
Autoren
ist Professur für Sport- und Leistungsphysiologie am Institut für Sportwissenschaft der Universität Wien. Zuvor war er geschäftsführender Oberarzt & Oberarzt Forschung, Zentrum für Prävention und Sportmedizin, TU München. Außerdem ist Prof. Scharhag Teamarzt der DFB U21-Nationalmannschaft.
ist wissenschaftliche Angestellte an der Abteilung Sportmedizin, Leistungsphysiologie und Prävention, Institut für Sportwissenschaft, Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport, Universität Wien.