Osteoporose ist die häufigste Knochenerkrankung, wobei 16 % der deutschen Bevölkerung betroffen ist [1]. Die Krankheit führt zu einer verminderten Knochenmasse und -dichte sowie zu einer Verschlechterung der Mikroarchitektur, was mit einem erhöhten Risiko für atraumatische Frakturen verbunden ist [2].
Im Rahmen der Basistherapie wird körperlichem Training ein wichtigen Stellenwert beigemessen [2]. Denn durch ein geeignetes Training lässt sich über eine positive Beeinflussung der Knochendichte [3] und / oder des Sturzrisikos [4] das Risiko osteoporotischer Frakturen signifikant reduzieren [3]. Gerade da nur 30 % der Osteoporotiker eine medikamentöse Therapie erhalten [1], besitzen nicht-medikamentöse Maßnahmen der Basistherapie als „einzige Therapieoption“ zur positiven Beeinflussung des Frakturrisikos einen umso größeren Stellenwert. Die Definition der idealen Trainingsstrategie zu Reduktion des Frakturrisikos sollte individuell unter Berücksichtigung von Alter, Krankheitsstatus und Leistungsfähigkeit der Betroffenen erfolgen.
Während bei Leistungsschwachen, sturzgefährdeten Kollektiven Interventionen mit dem primären Fokus „Sturzreduktion“ zur Anwendung kommen, liegt der primäre Fokus bei belastbareren Patienten Kollektiven auf der positiven Beeinflussung der Knochendichte, bzw. -festigkeit [5].
Ohne Kraft kein Knochen
Julius Wolff postulierte bereits im vorletzten Jahrhundert in seinem Gesetz zur Transformation von Knochen, dass der Knochen auf mechanische Kräfte reagiert und sich als Anpassung umformt [6]. Inzwischen ist die Mechanosensitivität des Knochens und die Bedeutung des Einflusses der mechanischen Belastung als elementare Größe für die Steuerung des Knochenstoffwechsels im Sinne des Erwerbs bzw. Erhalts einer an die habituellen Belastungen angepassten Knochenmasse und -struktur unbestritten.
„Viel hilft viel“? – Ergebnisse der tierexperimentellen Grundlagenforschung
Differenzierte Erkenntnisse zur Wirkung einzelner mechanischer Belastungsparameter auf den Knochen lassen sich vor allem von artifiziellen Belastungsversuchen von Tierknochen in vivo ableiten, in denen Tierknochen spezifischen mechanischen Belastungsprotokollen ausgesetzt wurden und durch die Variation einzelner Parameter deren Einfluss identifiziert wurde. Die Reizintensität (= einwirkende Kraft [N], oder resultierende Verformung des Knochens (Microstrain [µS]), stellt hier einen zentralen Parameter bei der osteogenen Reizsetzung dar. Studien, zeigen, dass regelmäßige Knochenbelastungen von ca. 1000 µS (dies entspricht der Verformung des Knochens, die bei allen Spezies bei normaler Lokomotion auftritt) den Knochen erhalten, während eine Unterschreitung der Reitschwelle zu Knochenverlust führt. Oberhalb der Reizschwelle von ca. 1000 µS besteht ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen Reizhöhe und Knochenformation (Übersicht in [7]).
Bei der Ableitung des Grundprinzips „viel hilft viel“ stellt sich für die Trainingspraxis die herausfordernde Aufgabe, einerseits ausreichend hohe knochenwirksame Reize zu generieren, andererseits kein Risiko für Überlastungen und Verletzungen einzugehen. Studien haben allerdings ergeben, dass der Knochen eine Sensibilität bezüglich weiterer Belastungsparameter aufweist [7]. So werden „grenzwertige“ Reizintensitäten bei Applikation einer höheren Wiederholungsanzahl ebenfalls osteoanabol. Während bei hohen Intensitäten also wenige Wiederholungen für eine positive Wirkung am Knochen ausreichen, kann eine niedrigere Intensität durch eine höhere Reizhäufigkeit kompensiert werden. Beim Vibrationstraining vermag eine hohe Reizfrequenz, respektive hohe Wiederholungshäufigkeit sogar bei sehr geringer Intensitäten eine Reaktion am Knochen zu vermitteln [8].
Trainingsinhalte für einen guten „Knochenjob“
Die Evidenz zum positiven Einfluss von körperlichem Training auf die Knochendichte ist hoch [9], wobei sich selbstverständlich nicht jede Form des körperlichen Trainings positiv auf den Knochen auswirkt. Im diesem Zusammenhang können trainingsinhaltübergreifendend zwei Komponenten unterschieden werden, die beim Training zur mechanischen Belastung der Knochen führen und demnach ein Potenzial zur Stimulation des Knochenmetabolismus besitzen [10].
(a) Muskelzüge („joint reaction forces“) resultieren in einer komplexen Druck-, Biege-, und Scherbeanspruchung der entsprechenden Skelettelemente, die als „Hebelwerk” die Muskelkräfte übertragen.
(b) Axiale Belastungen („ground reaction forces“) der gewichtstragenden Skelettelemente unter dem Einfluss der Schwerkraft zu einer komplexen mechanischen Belastung der Knochen [11].
Entsprechend kommen im Rahmen eines spezifischen „Knochentrainings“ Inhalte zur Anwendung, welche mit hohen Muskelzügen (z. B. Krafttraining an Geräten) oder mit einer relevanten axialen Belastung der gewichtstragenden Skelettelemente (z. B. Tanz-, Lauf- und Sprungvariationen) verbunden sind. Beide Belastungsformen erwiesen sich in Trainingsstudien isoliert oder in Kombination als ähnlich effektiv, die Knochendichte positiv zu beeinflussen [12]. Schwimmen weist ebenso wie Radfahren keine relevanten axialen Belastungen auf und die aus den Muskelzügen resultierenden Kräfte sind moderat, weshalb in entsprechenden Studien in der Regel keine Effekte am Knochen berichtet werden [13]. Interessanter Weise erwiesen sich sowohl Wassergymnastik [14], als auch Tai Chi [15] in aktuellen Meta-Analysen als effektiv die Knochendichte zu steigern. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass ein Training zur Steigerung der Knochendichte nicht grundsätzlich mit maximalen Intensitäten gestaltet werden muss.
Ideale Belastungskomposition – Erkenntnisse humaner Studien
Zum Einfluss von körperlichem Training auf den Knochendichte existiert eine Fülle von humanen Studien samt Metaanalysen, wobei die große Mehrzahl der Studien an postmenopausalen Frauen durchgeführt wurde [9]. Versucht man innerhalb von Metaanalysen die einzelnen knochenwirksamen Belastungskomponenten zu identifizieren, schlägt dies fehl, da sich die Trainingsmaßnahmen in unterschiedlichen Studien stets durch eine Vielzahl an Variablen (wie z. B. Reizintensität, -häufigkeit, Trainingshäufigkeit, Interventionsdauer) unterscheiden und so der Effekt einzelner Variablen nicht zuverlässig selektiert werden kann. Der Einfluss einzelner Belastungskomponente im Training lässt sich nur aus randomisierten, kontrollierten Trainingsstudien ableiten, in denen zwei Arme ein sonst identisches Training absolvieren, welches sich nur durch einen Belastungsparameter (z. B. Intensität) unterscheidet. Eine Meta-Analyse (11 Studien) von entsprechenden RCT´s ergibt eine tendenzielle Überlegenheit zu Gunsten der jeweils höheren Intensität [16]. Eine weitere Metaanalyse (7 Studien) zum Einfluss der Trainingshäufigkeit ergibt eine signifikante Überlegenheit bei höherer Trainingshäufigkeit für die LWS, wobei das Ergebnis im Bereich der Hüfte nur tendenziell war. Bei längerer Interventionsdauer vergrößert sich allerdings der Unterschied [17]. Unsere EFOPS-Studie zeigte nach 16 Jahre mit retrospektiver Einteilung nach Trainingshäufigkeit (≥ 2 TE/W vs. < 2 TE/W) signifikante Effekte für ≥2TE/W, während die Gruppe mit weniger als 2 TE/Woche gleiche Knochendichtewerte, wie die nicht trainierende Kontrollgruppe aufwies [18].
Fazit
Fasst man die Studienergebnisse zusammen, so empfiehlt sich zur Verbesserung der Knochendichte mindestens zweimal wöchentlich ein Training zu absolvieren, welches gezielt die Knochen der relevanten Regionen beansprucht. Die Reizsetzung sollte hier stets individuell dosiert erfolgen, wobei einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelkörper oder auch der Sehnen und Gelenke Rechnung getragen werden muss. Bei belastbaren Patienten kann über gewichtstragende Übungen, welche mit stärkeren „ground reaction forces“ einhergehen, oder mit intensitätsbetontem Krafttraining zeiteffizient eine Knochenwirkung erzielt werden [19]. Auch bei wenig belastbaren Kollektiven empfiehlt sich ein dosiertes Krafttraining zur Steigerung der Kraft und Knochendichte durchzuführen. Hier erwies sich eine Funktionsgymnastik unter Verwendung von Kleingeräten wie Widerstandsbändern durchaus als effektiv. Bei fortgeschrittener Erkrankung und hohem Sturzrisiko stehen Inhalte zur Verbesserung vom Gleichgewicht im Fokus. Bei Patienten mit stärkeren Schmerzen am Bewegungsapparat stellt ein Aquatraining eine gut verträgliche Alternative dar. Für jeden Patienten gibt es das passende Training – und damit keine passende Ausrede.
Literatur
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Autoren
hat als Physiotherapeuth und Dipl. Sportwissenschaftler in der medizinischen Fakultät promoviert, in der Sportwissenschaft habilitiert und wurde in der medizinischen Fakultät zum außerplanmäßigen Professor bestellt. Seit 20 Jahren ist er am Osteoporoseforschungszentrum am Institut für Medizinische Physik der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg tätig. Als Vorstand des Sport- und Fördervereins Netzwerk Knochengesundheit sorgt er für den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis.