Wir schlafen, weil wir ein Gehirn haben und dieses braucht den Schlaf zwingend. Es reinigt sich nachts, von Stoffwechselprodukten, dem Alzheimer-Eiweiß und vielen anderen Schadstoffen und es wird Platz gemacht für neue Gedächtnisinhalte. Vom Schlaf profitieren aber auch das Immunsystem, das Knochen- und Muskelsystem, der Kreislauf und die Haut. Wir schlafen, um gesund zu bleiben und am folgenden Tag mental und körperlich fit zu sein.
Das Zentrum des Schlafes liegt tief im Gehirn mit der Schaltzentrale im Hypothalamus. Es gibt ein Schlafsystem und ein Wachsystem, jeweils bestehend aus unterschiedlichen neuronalen Strukturen und unterschiedlichen Botenstoffen/Hormonen. Das Schlafzentrum liegt im Wesentlichen im Vorderhirn, das Wachzentrum im Thalamus und im verlängerten Rückenmark. Die wichtigsten Schlafhormone sind Melatonin, GABA, Adenosin und MCH (Melanin-konzentrierendes Hormon), Wachhormone sind Orexin, Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Acetylcholin und Histamin. Letztere halten uns tagsüber wach und die erstgenannten Schlafhormone überwachen den nächtlichen Schlaf. Die Natur hat es so eingerichtet, dass die Schlafhormone den Schlafdruck bestimmen und das zirkadiane System, der sogenannte 24-Stunden-Rhythmus, bestimmt den Zeitpunkt, wann wir am besten Schlafen. Der ca. 24 Stunden-Rhythmus ist genetisch festgelegt und seinem Verlauf folgen die meisten Körperfunktionen. Messbar ist der Rhythmus anhand von Körpertemperatur, Melatonin oder Cortisol.
Wie sieht der Schlaf nachts aus?
Er ist bestimmt von einem Wechsel zwischen Nichttraum- und Traumschlaf. Ein Schlafzyklus aller Schlafstadien (NREM-Schlaf) – Stadium 1 (oberflächlicher Schlaf), – Stadium 2 (mitteltiefer Schlaf), – Stadium 3 (Tiefschlaf) und dem REM (Traumschlaf) dauert ca. 90 – 100 Minuten. In ein 7-Stunden Schlaf-Fenster passen ca. vier solcher Zyklen. Zum gesunden Schlaf gehört eine Einschlafzeit von nicht mehr als 30 Minuten, eine Wachzeit im Bett von nicht mehr als 45 Minuten, ca. 15 % Tief- und 20 – 25 % Traumschlaf. Das ideale Schlaffenster ist das zwischen 22 – 23 Uhr und 6 Uhr. In dieser Zeit hat man die beste Schlafqualität. Die Schlaflänge für einen gesunden Schlaf beträgt bis zum 20./21. Lebensjahr ca. 9, danach 8,5 Stunden und ab dem 30. Lebensjahr 7,5 bis 8 Stunden. Das ist optimal. Kurzschläfer (kleiner/gleich 6 Stunden) oder Langschläfer (9 – 10 Stunden) sind eher selten. Die Mindestschlaflänge, um am nächsten Tag seine Leistung abrufen zu können, beträgt 6 Stunden. Am Wochenende kann man Schlaf nachholen, nicht aber nach mehreren Monaten. Vorschlafen kann man nur für eine Nacht bzw. für 24 Stunden, z. B. mit einer „Siesta“ von 1,5 Stunden oder einem Schläfchen von 3,5 bis 4 Stunden. Mit 7,5 bis 8 Stunden Schlaf ist man tagsüber nicht müde und fit. Mit einem Schlafdefizit macht sich Müdigkeit bemerkbar.
Wachzonen und Schlafstörungen
Wenn man um 6 Uhr aufsteht, kommt sie dann das erste Mal zwischen 9 und 10 Uhr, dann zwischen 12 und 14 Uhr und danach noch einmal zwischen 16 und 18 Uhr. Das sind daher die idealen Zeitfenster für ein Powernap (kürzer als 30 Minuten). Die Wachzone der höchsten Leistungsfähigkeit ist zwischen 18 und 21 Uhr. Viele Weltrekorde im Sport sind in dieser Zeit, wo sich Körper und Geist am besten koordinieren lassen, aufgestellt. Generell nimmt die körperliche Fitness nachmittags zu und die geistige Fitness ab. Ein akutes Schlafdefizit (weniger als 6 Stunden) beeinflusst in erster Linie die kognitive Leistungsfähigkeit (Gedächtnis, Geschicklichkeit, Genauigkeit, Konzentration, Reaktionszeit). Ein chronischer Schlafmangel (länger als 3 Jahre) ist ungesund und erhöht das Risiko für Alzheimer/Demenz, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Infektionen, Krebs u.v.a.m. Um Schlafstörungen wie Schlafapnoe, Insomnie, Parasomnien, Hypersomnien, zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen und Bewegungsstörungen im Schlaf (RLS) vorzubeugen bzw. zu erkennen, ist Aufklärung der Bevölkerung und der Ärzteschaft wichtig.
Alle Schlaferkrankungen sind gut erkennbar, meist chronisch aber gut behandelbar. Zur Diagnostik gehören das häusliche Schlafapnoe-Monitoring und die Aktigraphie sowie für viele Betroffene noch das Schlaflabor. Wearables und Apps und Co. lassen ein Vorscreening zu, sind jedoch nicht für eine verlässliche Diagnostik geeignet. Für telemedizinische Diagnostik- und Therapieverlaufs-Methoden fehlt es noch an der Vergütung. Die mehr als 250 Schlaflabore in Deutschland (www.dgsm.de) decken den Bedarf gut ab, für die ambulante Versorgung der Betroffenen fehlen jedoch flächendeckend schlafmedizinische Spezialpraxen. Daher sollten sich auch Sportarztpraxen dieses Themas annehmen. Eine schlafmedizinische Versorgung beginnt mit Prävention / Prophylaxe. Daher einige Grundregeln für einen gesunden Schlaf:
Regelmäßige Bettzeit
- Schlafzeit von mindestens 6 Stunden
- Ins Bett gehen, wenn man müde ist
- Bei Bedarf ein Einschlafritual aneignen: Entspannung, medial offline-gehen, optimalen Schlafkomfort schaffen
- Auf Ernährung am Abend achten
- Bewegung am Tag
- Alkohol und Drogen meiden
Die übermüdete Gesellschaft: Wie Schlafmangel uns alle krank macht
Rund 80 % aller deutschen Arbeitnehmer leiden an Schlafstörungen – die meisten schaffen sich ihr Leid selber: zu spätes Zubettgehen, zu frühes Aufstehen, zu viel Arbeits-Mails-Checken nach Feierabend. Welche Folgen wird es für unsere ganze Gesellschaft haben, wenn nicht bald ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass die Schlafstörung eine der großen bedrohlichen Volkskrankheiten unserer Zeit ist?
Rowohlt Buchverlag / Auflage: 1. (24. April 2018) / ISBN: 978-3498021399
Autoren
ist Facharzt für Innere Medizin und Pulmologie und ist Schlafmediziner/ Somnologe sowie Chronobiologe. Er ist seit 2018 Leiter des selbstständigen Arbeitsbereiches Schlafmedizin in der Charité. Außerdem ist Professor Fietze Vorsitzender der Dt. Stiftung Schlaf und Buchautor.
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