Bei den Olympischen Spielen in Tokio nahmen mehr Frauen teilals jemals zuvor. Mit ca. 49 % waren laut IOC beinahe die Hälfte der Teilnehmenden Frauen. Während die Teilnahme der Frauen am Leistungssport zunimmt und ihre Leistungsfähigkeit sich kontinuierlich verbessert, hat die trainingswissenschaftliche Forschung über die möglichen Zusammenhänge ihrer motorischen Leistungsfähigkeit mit ihrem Menstruationszyklus nicht Schritt gehalten.
Der Gender Data Gap macht sich vor allem bei Studien bemerkbar, die sich mit trainingswissenschaftlichen Methoden zur Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit befassen. Hierbei machen Frauen nur drei Prozent aller Teilnehmer*innen aus [1]. Spezifische Forschung ist in diesem Bereich zur Optimierung der Trainierbarkeit und der Regenerationsfähigkeit höchst erforderlich, da sich die bisherigen Methoden für die optimale Trainingsgestaltung auf männliche Athleten beziehen und diese aufgrund ihrer deutlich unterschiedlichen physiologischen und hormonellen Profile nicht unbedingt auf weibliche Athletinnen übertragen werden können [2].
Die bisher klassisch angewendeten Trainingsmethoden und Regenerationsprinzipien gehen nicht auf den Hormonspiegel der Frauen ein. Vor allem sind Athletinnen mehr durch Übertraining und dessen Konsequenzen für den weiblichen Körper gefährdet. Die sogenannte „Female Athlete Triad“ bedroht die Athletinnen nicht nur mit Leistungsabfall und erhöhten Verletzungsraten, sondern auch mit langfristigen gesundheitlichen Folgen wie Osteoporose und Unfruchtbarkeit. Da die weiblichen Hormone in den Phasen des Menstruationszyklus vorhersehbar schwanken, könnte die Erkenntnis dieser Einflüsse zur Erstellung eines optimalen Trainingsplans für Athletinnen sehr bedeutsam sein [2].
Der Menstruationszyklus wird in der Literatur klassisch in drei Phasen, die Follikel- phase (FP), die Lutealphase (LP) und die Ovulation, unterteilt.
Die Zeitspanne zwischen dem 1. Tag der Menstruation bis zum Eisprung wird als Follikelphase bezeichnet. Die FP wird hinsichtlich des Östrogenspiegels wiederum in zwei Zeitabschnitte geteilt: Die frühe FP, in welcher der Spiegel von Östrogen und Progesteron niedrig ist und die späte FP, in der die Östrogenkonzentration im Verhältnis zum Progesteron deutlich höher ist [3].
Einfluss der Menstruationszyklusphasen auf die Kraftfähigkeit
Die Wirkung der hormonellen Schwankungen innerhalb des Zyklus auf die Kraft der Frauen wird sehr kontrovers in der Literatur diskutiert. Sarwar et al. [4], Petrofsky et al. [5] und Sung et al. [6] vergleichen die Kraftfähigkeit der Frauen in den verschiedenen Zyklusphasen. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Frauen in der FP eine bessere Kraftfähigkeit zeigen als in der LP. Diese Studien deuten an, dass Östrogen auf die Muskulatur eine kraftsteigernde Wirkung hat.
Nicht übereinstimmend sind hingegen die Ergebnisse von Abt et al. [7], Birch und Reilly [8], Janse de Jonge et al. [9] sowie Montgomery und Shultz [10], die zu dem Schluss kommen, dass keine systematische Beeinflussung der Menstruationszyklusphasen auf die Muskelkraft zu beobachten ist.
Diese Unstimmigkeit hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Frauen im Zusammenhang zum Zyklus erklären viele Wissenschaftler*innen dadurch, dass sie mit der individuellen Variabilität des Östrogen- und Progesteronspiegels bei Frauen in Verbindung steht. Zudem kann die gegensätzliche Ergebnisdarstellung von Studien kann auf die unterschiedliche Methodik zurückgeführt werden.
Auch wenn die Leistungsfähigkeit der Frauen bisher sehr umstritten in der Literatur dargestellt ist, sind die Wissenschaft und Athletinnen sich aber bei einer Tatsache einig, dass ein Großteil der Athletinnen eine Schwankung ihrer Leistungsfähigkeit innerhalb des Zyklus empfinden. Ein hoher Anteil der Athletinnen empfindet deutliche Veränderungen in ihrer sportlichen Leistungs-fähigkeit innerhalb eines Menstruationszyklus [11,12]. Der größte Anteil der Athletinnen erlebt ihre schlechteste Fitness während der Menstruation (47 %) und in der späten LP (20 %). Die beste körperliche Fitness wird dagegen am häufigsten während der mittleren FP und der frühen LP angegeben. Die Anpassung der Trainingsintensität an dem Zyklus und die Berücksichtigung des körperlichen Empfindens verschaffen der Athletinnen einen psychologischen Vorteil, in dem ihre Trainingsbereitschaft höher wird und ihnen bewusster wird, dass das Trainierteam mit einem angepasstem Trainingsplan für sie arbeitet und nicht gegen sie.
Menstruationszyklus basiertes Krafttraining
Die Trainingsintensität und der Trainingsumfang werden innerhalb einer langfristigen Trainingsperiodisierung und eines mittelfristigen Trainingszyklus unterschiedlich moduliert, damit die Gefahr des Leistungsabfalls und Übertrainings ausgeschlossen wird. Die Menstruationszyklus basiertes Krafttraining beschreibt eine Trainingsperiodisierung, in dem in einer bestimmten Phase des Zyklus (häufig in der FP) häufiger oder intensiver trainiert wird.
Die Einflüsse des menstruationszyklusbasierten Krafttrainings wurden bisher in nur fünf Studien erforscht. Typischerweise wurden in diesen Studien Frauen randomisiert einem Hochfrequenz-Krafttraining entweder in der Follikelphase oder in der Lutealphase und einem Niederfrequenz-Widerstandstraining in der entgegengesetzten Phase zugeteilt.
Die Studien von Platen [13], Reis et al. [14], Sung [6] und Wikström et al. [15] sind sich alle einig, dass Frauen, die intensiver in der Follikelphase trainieren im Vergleich zu anderen Interventionsgruppen einen größeren Trainingserfolg haben. Das intensive Training in der Follikelphase erzeugte insbesondere eine signifikante Leistungssteigerung im Vergleich zum intensiven Training in der Lutealphase. Dies bestätigt einerseits die Ergebnisse von Studien, die andeuten, dass Östrogen auf die Muskulatur kraftsteigernd wirkt. Die Studie von Sunaga et al. [16], stellt als einzige Studie keinen Unterschied zwischen dem follikelphasenbetonten Training und dem lutealphasenbetonten Training fest. Die gegensätzliche Ergebnisdarstellung von Sunaga kann auf die unterschiedliche Methodik der Studie zurückgeführt werden. Die Autoren untersuchen im Gegensatz zu anderen Studien die Kraft der oberen Extremität.
Trainingspraktische Schlussfolgerung
Aus den Ergebnissen dieser Studie geht hervor, dass die Kraftsportlerinnen von der Integration des Menstruationszyklus in der Trainingsperiodisierung profitieren würden. Der erste Schritt zur Anpassung der Trainingsperiodisierung ist die Verbesserung der Kommunikation über den Menstruationszyklus und den damit verbundenen körperlichen oder eventuell psychischen Stress. Auf einer Seite führt die offene Kommunikation über den Menstruationszyklus dazu, dass weniger Druck auf die Athletinnen ausgeübt wird, unter jedem Zustand beim Training eine gewisse Leistung erbringen zu müssen. Es fordert sie auf, mehr Verantwortung für die Gestaltung einer angepassten Trainingsperiodisierung zu übernehmen und fördert das Konzept der mündigen Athletin. Auf der anderen Seite würde dies das Trainerteam antreiben, sein Wissen über die Physiologie der Athletinnen spezifisch zu erweitern.
Als zweiter Schritt spielt das Zyklustracking hierbei eine entscheide Rolle. Dies ermöglicht es dem Trainerteam und den Athletinnen nicht nur die Peak-Leistung der Athletinnen in Abhängigkeit zu deren Hormonschwankung innerhalb des Zyklus herauszufinden, sondern erfasst durch Zyklustracking die frühen Anzeichen von Krankheiten wie RED-S/ female athlete Triad, die eine große gesundheitliche Bedrohung in Ausdauersportarten darstellen. Der weibliche Zyklus ist gegenüber von Stressfaktoren (körperlich und psychisch) nachweislich sensibel. Zyklusanomalien wie Anovulation und Menstruationsausfälle können als sehr wichtiger Hinweis fürs Übertraining oder eine unzureichende Energiezufuhr interpretiert werden. Somit kann man durch eine regelmäßige Kontrolle des Zyklus der Athletinnen die Gesundheit der Athletinnen besser schützen und deren Trainingsplan rechtzeitig so umzustellen, dass die Gefahr der Female Athlete Triad ausgeschlossen werden kann.
Der nächste Schritt ist die Planung und Umsetzung einer Trainingsperiodisierung, die auf die hormonellen Schwankungen der Sportlerinnen innerhalb des Zyklus eingeht.
Nach der Auseinandersetzung mit der vorhandenen Evidenz kann man schließen, dass die Follikelphase, die durch einen hohen Anstieg der anabolen Hormone gekennzeichnet ist, eine optimale Zeit für die neuen intensiveren Belastungsreize im Hinblick auf Kraft als in der LP anbietet. Eine Stabilisierung und eine Adaptation des bereits in der Follikelphase erreichten Leistungsniveaus, sowie die Regenerationstrainingseinheiten sollen in der Lutealphase stattfinden. Damit wird in der Lutealphase der weibliche Organismus, in der bereits Zeichen von erhöhtem körperlichen Stress durch den Anstieg von Leukozyten und Kortisol erwiesen wurde, nicht mit neuen Belastungsreizen konfrontiert und überbeansprucht.
Literatur
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- Shakalio, S., Scheller, C. H., & Gronwald, T. (2020). Menstruationszyklusbasiertes Training im Leistungssport. Ein narratives Review mit trainingspraktischen Schlussfolgerungen für Ausdauersportarten. Leistungssport, 50 (1), pp.28.31.
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Autoren
hat in Teheran Sportwissenschaften, in Hamburg Physiotherapie und an der Sporthochschule KöIn Sportphysiotherapie studiert und ist Athletiktrainerin der FC St. Pauli Damen. Neben ihrer praktischen Tätigkeit forscht sie seit Jahren über geschlechterspezifischen Leistungsmerkmalen und Verletzungsanfälligkeiten der Frauen und setzt sich für Gleichberechtigung im Sport ein. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: zyklusbasierte Trainingsperiodisierung bei Teamsportarten, Return to Sport nach RED-S und geschlechterspezifische Gesundheitsversorgung der Frauen (www.feathletic.eu).