Sport ist ein wichtiger Bestandteil des Alltags für einen Großteil der Bevölkerung. Er bringt viele gesundheitliche Vorteile, unter anderem für das Herz-Kreislauf-System, die Knochengesundheit und auch das mentale Wohlbefinden, mit sich. Der Sport birgt daneben aber auch die Gefahr von Verletzungen, welche kurz-, mittel- und langfristige Konsequenzen für die Betroffenen haben können.
So gelten Gelenksverletzungen als einer der Hauptgründe für posttraumatische Arthrosen [1]. Daneben führen Sportverletzungen oder die Angst vor Verletzungen dazu, dass Jugendliche ihren Sport einstellen[2]. Die reduzierte körperliche Aktivität resultiert dann wiederum in negativen gesundheitlichen Effekten, wie z. B. Übergewicht und Arthrose. Die Prävention von Sportverletzungen spielt daher eine außergewöhnliche Rolle in der heutigen Sportmedizin.
Prävention umfasst Strategien und Maßnahmen, die der Verhütung und Vorbeugung von Verletzungen und Krankheiten sowie dem Erhalt der Gesundheit dienen. Es lassen sich verschiedene Präventionsansätze hinsichtlich der zeitlichen Perspektive im Krankheitsverlauf unterscheiden. Vor Beginn der Erkrankungen stehen Maßnahmen der Primärprävention (z. B. Impfen), im Frühstadium von Erkrankungen Maßnahmen der Sekundärprävention (z. B. Früherkennungsmaßnahmen) und nach Krankheits-/Verletzungsmanifestation Maßnahmen der Tertiärprävention (z. B. Rehabilitation)[3]. Unzählige Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Sportverletzungen und zur Optimierung derer Rehabilitation sind bekannt. Die Verfügbarkeit, aber auch die Umsetzung und Anwendung von Präventionsmaßnahmen im Breitensport unterscheiden sich aus vielschichtigen Gründen dramatisch zum (bezahlten) Leistungssport. Im Folgenden werden Präventionsmaßnahmen vorgestellt, die auch im Breitensport ohne Einsatz großer finanzieller Mittel sowie ohne speziell ausgebildete Teammitglieder gut umzusetzen sind und das Risiko von Verletzungen im Sport deutlich reduzieren.
Der „Medizincheck“ – Gesundheits-TÜV für Sportler
Sportärztliche Untersuchungen spielen nicht nur im Leistungssport eine Rolle. Unerkannte Herzfehler können zum plötzlichen Herztod während sportlicher Belastung führen[4] und Sportverletzungen stellen regelmäßig Folgeschäden älterer Blessuren dar. So können z. B. auch Knieverletzungen durch eine nicht adäquat behandelte Sprunggelenksverletzung begünstigt werden. Durch die sportärztliche Vorsorgeuntersuchung, welche bei einem Sportmediziner durchgeführt wird, soll die Teilnahme am Sport sicherer gemacht, Risikofaktoren (u. a. Herz-Kreislauf, muskuloskelettal) aufgedeckt sowie latente oder bereits vorhandene Krankheiten, die eine Gefährdung darstellen, erkannt werden. Sportmedizinische Gesellschaften empfehlen das Durchführen einer sportärztlichen Vorsorgeuntersuchung vor Aufnahme einer neuen Sportart ab dem 12. – 14. Lebensjahr und eine Wiederholung alle 2 Jahre. Die Kosten werden von vielen Krankenkassen übernommen.
Der Medizincheck umfasst eine Anamnese, in der insbesondere auf aktuelle und vergangene Beschwerden bzw. Verletzungen eingegangen wird, eine ausführliche körperliche Untersuchung, ein EKG und eine Blutdruckmessung. Bei der körperlichen Untersuchung unterscheidet man den internistischen, bei welchem vor allem das Herz und die Lunge sowie die anderen inneren Organe untersucht werden, vom orthopädischen Teil. Beim orthopädischen Teil beurteilt der Arzt inspektorisch, palpatorisch und auch mit Koordinations-, Stabilitäts- sowie Beweglichkeitstest nicht nur die Gelenke, sondern erfasst zudem Fehlhaltungen oder muskuläre Dysbalancen. Der Medizincheck kann bei Bedarf auch im Breitensport um Blutanalysen, Kraftmessungen und anderen Testungen (z. B. neuropsychologisch) erweitert werden. Neben der Bescheinigung der Sporttauglichkeit erhält der Sportler den Befunden angepasste, individuelle Empfehlungen von präventiven Maßnahmen.
Trainingsbasierte Präventionsansätze – wichtig auch im Freizeitsport
Systematische Trainingsplanung stellt eine zentrale Maßnahme der Prävention von akuten sowie überlastungsbedingten Verletzungen dar. In den letzten Jahren wurden mehrere altersadaptierte Präventionsprogramme etabliert, die nachweislich das Verletzungsrisiko senken und gut in die Trainingsroutine implementiert werden können. Das von der FIFA entwickelte Programm FIFA11+ (ab 14 Jahren) bzw. FIFA11+kids (7 – 13 Jahre) kombiniert Lauf-, Kraft- und Agilitätsübungen mit plyometrischem (Reaktivkraft) sowie propriozeptivem (auf instabilem Untergrund) Training. Es dauert ca. 15 – 20 Minuten und ist einfach und ohne technische Hilfsmittel (außer einem Ball) umzusetzen. Das regelmäßige Durchführen von FIFA11+ bzw. FIFA11+ kids vor dem Training reduziert die Verletzungshäufigkeit um 30 – 70 % [5, 6] und steigert die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit[7]. Das Programm kann neben dem Fußball in allen Sportarten, in denen regelmäßig Verletzungen der unteren Extremität auftreten, eingesetzt werden. Mit u.a. dem PEP (Prevent Injury and Enhance Performance)-Programm (Santa Monica Orthopaedic and Sports Medicine Research Foundation) sowie dem StopX (Deutsche Kniegesellschaft) gibt es noch weitere multimodale trainingsbasierte Programme zur Verletzungsreduktion insbesondere des Kniegelenks [8]. Zur Verletzungsprävention der oberen Extremität finden sich Präventionsübungen auf der Homepage der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG).
Im Allgemeinen gilt, dass multimodale kombinierte Trainingsinterventionen einem Einzelkomponenten-Programm vorgezogen werden sollten [9].
Multitalent für zuhause – das Balanceboard
Nach Umknickverletzungen des Sprunggelenks zeigt sich die Propriozeption [10] und die sensomotorische Kontrolle [11] des betroffenen Gelenkes gestört. Das Training mit einem Balanceboard kann diese Funktionen wiederherstellen [12,13]. Nach Balancetraining zeigen Athleten mit Sprunggelenksverletzungen in der Vorgeschichte ein reduziertes Auftreten von Umknicktraumata [10]. Übungen auf dem Balanceboard trainieren neben der Stabilität des Sprunggelenks auch die Propriozeption und Stabilität der gesamten Beinachse sowie des Rumpfes. Insbesondere für Sportler nach Umknicktrauma des Sprunggelenks empfiehlt sich daher das regelmäßige Training auf einem Balanceboard (z. B. 10 min 3 – 5 x wöchentlich).
„Du bist, was du isst“ – Optimierung der Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin erklärt „richtige Ernährung und Flüssigkeitszufuhr“ als eine der 10 Goldenen Regeln für gesundes Sporttreiben [14]. Bereits durch das Einhalten weniger Ernährungsempfehlungen kann das Verletzungsrisiko minimiert und die sportliche Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Verletzungen führen in der Regel zu einer eingeschränkten Mobilität und reduzierter sportlicher Belastung, dies führt schnell zu einem Muskelabbau, der dann wiederum das Verletzungsrisiko bei Wiederaufnahme des Sports erhöht. Daher ist insbesondere in Phasen nach Verletzungen eine ausreichende Aufnahme von Proteinen essenziell (Verletzt: 1,6 – 3,0 g/kg KG/Tag; Gesund: 1,2 – 2,0 g/kg KG/Tag), um dem Muskelabbau zu entgegnen[15, 16]. Bei sportlich aktiven Personen kann eine ausreichende Proteinaufnahme über die normale Ernährung schwer zu erreichen sein. In diesen Fällen kann über die Einnahme qualitativ hochwertiger Eiweißpräparate in zeitlicher Nähe zum Training der Muskelaufbau sowie die Regeneration angeregt werden.
Daneben ist die Bestimmung des Vitamin D-Blutspiegels und eine angepasste Supplementation von Vitamin D nach ärztlicher Rücksprache zu empfehlen. In Europa weisen knapp die Hälfte aller Menschen suboptimale oder mangelhafte Blutspiegel von Vitamin D auf [17]. Vitamin D ist essenziell für den Knochenstoffwechsel, stärkt das Immunsystem und ist wichtig für eine optimale sportliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es erhöht die Muskelmasse sowie -kraft und vermindert das Auftreten von Ermüdungsfrakturen[18].
Generell gilt der Leitsatz „Food First“, d. h. natürliche Lebensmittel sind Nahrungsergänzungsmitteln zu bevorzugen. Hochwertige NEM können jedoch auch sinnvolle Ergänzungen darstellen. Weitere Nährstoffe, die zur Prävention von Sportverletzungen geeignet sind, wurden und werden regelmäßig in weiteren Artikeln der sportlerzeitung sowie sportärztezeitung thematisiert.
Fazit
Effektive Präventionsmaßnahmen sind nicht dem Leistungssportler vorbehalten. Auch im Freizeitsport können mit einfachen Maßnahmen effektiv Verletzungsrisiken und das Auftreten von Sportverletzungen minimiert werden. Insbesondere das Durchführen von trainingsbasierten Präventionsprogrammen als Warm-Up vor dem Training ist absolut zu empfehlen.
Literatur
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Autoren
ist konservativer Orthopäde in der Praxis für Orthopädie und Sportmedizin – Dr. Abel & Dr. Belikan in Alzey. Als betreuender Sportarzt von Mainz 05 und Verbandsarzt des Südwestdeutschen Fußballverbandes e.V. ist er im Spitzen- und Amateursport aktiv.