Im professionellen Sport werden die orthobiologischen Methoden seit Jahren mit zunehmender Tendenz verwendet. Muskel-, Sehnen- und auch degenerative Erkrankungen werden inzwischen in vielen Sportarten mit platet rich plasma (PRP), blood cell secretome (BCS) behandelt, selten auch mit Zellen, gewonnen aus Knochenmarkpunktaten oder Stammzellen aus dem körpereigenem Fettgewebe.
Die Industrie stellt unterschiedliche Produkte und Systeme zu Verfügung, wie in der Tabelle 1 zu sehen ist.
Einige Produkte wie PRP oder das BCS/Orthokine sind einfach herzustellen und im Alltag des Sportmediziners praktisch anzuwenden. Sie wirken beide durch ihre Inhaltsstoffe insbesondere dem Interleukin-1 Rezeptor Anatgonisten, aber auch diverser sogenannter Wachstumsfaktoren in der proliferativen Phase der Heilung nach Verletzungen (Abb. 1). Leider sind unter dem Begriff PRP in ihrem Inhalt doch sehr unterschiedliche Produkte subsummiert. Dies macht es schwierig, allgemeingültige Level I Studien zu erstellen. Daher konnte das PRP unter den strengen Kriterien der Leilinienkommission noch keine Empfehlung finden. Anerkennung fand aber, dass es schon richtungsweisende Studienergebnisse gibt, die deutliche Hinweise auf eine signifikante Wirkung, eventuell besser als die der Hyaluronsäure zeigen.
Auch in der kassenärztlichen und privatärztlichen Versorgung in Deutschland sind diese regenerativen Methoden keine Seltenheit mehr. Dies wohl auch berechtigt. Ist doch die Datenlage für das PRP inzwischen zumindest für die Anwendung bei der Gonarthrose, aber auch z. B. bei der Epicondylitis recht gut. Für die Gonarthrose sogar so gut, dass die European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Arthroskopy (ESSKA) für die Verwendung von PRP bei der Osteoarthrose eine Empfehlung ausgesprochen hat wie z. B. Mandelbaum (FIFA Excellence Center St. Monica USA) bei der diesjährigen Isokinetic Conference in Lyon berichtete (Abb. 2) (siehe dazu auch Artikel Prof. Tischer in dieser Ausgabe auf S. 28).
Abb. 2Auch für die Hyaluronsäure gibt es inzwischen neuere Studien, welche die Wirksamkeit insbesondere bei der Gonarthrose, aber auch bei bestimmten Erkrankungen des Sehnengewebes z. B. der Achillotendinopathie in Verbindung mit der radialen Stoßwellentherapie oder bei Erkrankungen der Rotatorenmanschette nachgewiesen hat (M.Khan Sports Health 2/22). Nun ist die Hyaluronsäure keine regenerativ wirksame Substanz im eigentlichen Sinne. Sie hat aber einen protektiven Effekt durch die Reduktion von Prostaglandin E2 und von Metalloproteinasen, welche sich negativ auf die Integrität der Knorpelmatrix auswirken. Interessant kann die Hyaluronsäure aber auch im Besonderen in der Kombination mit regenerativ wirksamen Blutprodukten sein. Die Kombination der beiden unterschiedlichen Wirkmechanismen könnte bei der Bekämpfung der Gonarthrose helfen. Aufgrund der inzwischen recht guten Studienlage für die Hyaluronsäure bezüglich der Wirksamkeit bei der Gonarthrose fand sie auch erstmals Berücksichtigung in der neuen Leitlinie Gonarthrose. Sie wird hier empfohlen, wenn andere therapeutische Maßnahmen wie Ernährungsberatung und Gymnastik keine ausreichende Wirkung zeigen.
Arzt in der Pflicht & multimodales Therapiekonzept
Die Emanzipation dieser therapeutischen Maßnahmen aus dem Bereich der Orthobiologie führen aber zu einer Verpflichtung behandelnder Ärzte in Deutschland. Paragraph 630e des BGB besagt: „…bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können…“. Das bedeutet, dass zukünftig der beratende Mediziner gut daran tut, zumindest bei der Diagnose einer Osteoarthrose des Kniegelenkes auf Orthokine, PRP und Hyaluronsäure hinzuweisen. Gemäß der Meinung von Experten und in Anlehnung an die Leitlinien ist die Nutzung dieser orthobiologischen Therapien sinnvoll und erfolgreich immer nur in Einbettung in ein multimodales Therapiekonzept. Hier im Besonderen die Optimierung der biomechanischen Parameter durch die Heil- und Hilfsmittel und edukative Ansätze wie insbesondere die Ernährungsberatung. Auch im Rahmen chirurgischer, rekonstruktiver Eingriffe bei degenerativen Erkrankungen spielt neben der Entwicklung von speziellen Gewebsgerüsten (scaffolds) auch die Weiterentwicklung der an Wachstumsfaktoren reichen Blutprodukte und die Gewinnung von pluripotenten Stammzellen eine große Rolle. In dieser Entwicklung sieht Brunella Grigolo (SSD Labaratory RAMSES, Rizzoli Orthopaedic Institute, Bologna) einen „wichtigen Wendepunkt in der klinischen Behandlung zahlreicher Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems“.
Bert Mandelbaum (Departement of Orthopaedic Surgery Cedars, Sinai; FIFA medical center of excellence, Los Angeles) bewertet unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Studienlage sowie der Bewertung durch die FDA die unterschiedlichen orthobiologischen, regenerativen Methoden im Rahmen eines Ampelsystems (Abb. 3). Er empfiehlt einige Methoden (grün) schon jetzt in der Anwendung bei akut verletzten Spitzenathleten und auch in der Regelversorgung bei ausgewählten Indikationen.
Fazit
Die regenerative Medizin weckt hohe Erwartungen. Die entwickelten Orthobiologika können Rekonvaleszenzzeiten insbesondere bei Athleten verkürzen, was im bezahlten Sport erhebliche Wettbewerbsvorteile bringt. Aber sie ist inzwischen mit einigen Produkten auch in der Regelversorgung chirurgisch wie konservativ etabliert. Insbesondere die Hyaluronsäure und das PRP müssen bei Therapieentscheidungen für einige Indikationen Berücksichtigung finden. Der seriöse Umgang mit diesen neuen Therapiemöglichkeiten, bei der merkantile Aspekte zweitrangig sein sollten, ist wichtig, um diese Methoden nicht unnötig in den kritischen Fokus der Kostenträger zu rücken. Spannend ist die weitere Entwicklung der „point of care“ Gewinnung von Stammzellen und deren kombinierte Anwendung mit Wachstumsfaktoren. Vielleicht können in absehbarer Zeit wirklich chirurgische und konservative Methoden miteinander kombiniert Gewebe, welches als nicht regenerationsfähig gilt, heilen. Noch Hoffnung, aber bald Realität?!
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Inhaber einer orthopädischen Praxis mit Schwerpunkt Sport-Orthopädie in Münster. Außerdem ist er Vereinsarzt des SC Preußen Münster, Mannschaftsarzt der U16 DFB-Nationalmannschaft und wiss. Beirat der sportärztezeitung.