Theoretischer Hintergrund: Der Darm ist ein zentrales immunogenes Organ des Menschen. Neben dem Einfluss auf das gesamte Immunsystem des Körpers besitzt er mit seiner selektiven Durchlässigkeit eine besondere physiologische Funktion. Auf der einen Seite kann dieses Organ Nährstoffe aufnehmen, auf der anderen Seite aber auch pathogene Bakterien abwehren und als Barriere fungieren.
Diese Eigenschaft wird als Darmbarriere bezeichnet, welche in einem intakten Zustand nicht nur eine zentrale Bedeutung für die Darmgesundheit sondern darüber hinaus gehend für den gesamten Organismus hat. Sowohl sportliche Belastungen als auch die Ernährung nehmen Einfluss auf die Darmbarriere. So belegen Studien eine Beeinflussung der Darmbarriere und einen damit einhergehenden vermehrten Übertritt bakterieller Toxine (Endotoxine) bei extremen körperlichen Belastungen, wie z.B. Marathon und Ultraläufen (Sessions et al. 2016; Karhu et al. 2017; Hill et al. 2020; Gill et al. 2015) . Ähnliches wurde bei fettreicher Diät sowie einer fruktosereichen Ernährung festgestellt (Staltner et al 2023).
Der Konsum von zuckerhaltigen Getränken nach intensiver körperlicher Belastung ist in einer Vielzahl von Studien als regenerationsfördernd beschrieben worden. Daher wird der Konsum kohlenhydrathaltiger Sportgetränke oder spezieller Shakes nach körperlicher Belastung empfohlen. Gleiches gilt für eine Reduzierung von erhöhtem oxidativem Stress nach körperlicher Belastung. Dieser führt zu verminderter Leistungsfähigkeit und Kraftverlust Auch hier wird die Einnahme von Polyphenolpräparaten oder Fruchtsäften empfohlen (Rickards et al. 2021; Bowtell und Kelly 2019).
Viele Sportler greifen daher nach körperlicher Aktivität zu Fruchtsäften oder Fruchtsaftschorlen. Inwieweit diese Getränke im Zusammenwirken mit einer intensiven körperlichen Belastung die Darmbarriere und Regeneration beeinflussen, ist bisher nicht systematisch untersucht worden.
Fruchtsäfte können einen Einfluss auf die Permeabilität der Darmbarriere haben. Erscheint der hohe Fruktosegehalt von polyphenolhaltigen Fruchtsaftgetränken (z.b. naturtrüber Apfelsaft oder Aronia Saft) auf den ersten Blick unvorteilhaft, so enthalten diese neben dem Zucker ebenfalls aber auch Vitamine und zahlreiche sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie z.B. Polyphenole. Diesen Substanzen werden antioxidative, chemopräventive, antibakterielle, antivirale und anti-inflammatorische Wirkungen nachgesagt (Cásedas et al. 2017; Chai et al. 2019; Joseph et al. 2014).
Basierend auf der limitierende Datenlage zu polyphenolhaltigen Fruchtsäften auf die Regenerationsfähigkeit und die Darmpermeabilität wurden zwei Untersuchungen durchgeführt.
Methodik
Studie A: Der Einfluss eines polyphenolreichen roten Beerenfruchtsafts auf Regenerationsfähigkeit nach intensivem Ausdauertraining
Die Studie war als randomisierte, doppelblinde Studie mit Crossover-Design konzipiert. Die Interventionsphase, die ein sechstägiges Ausdauertrainingsprogramm umfasste, wurde zweimal mit Saft- und Placebosupplementierung durchgeführt. Die Supplementierungsintervalle wurden in eine dreitägige Eingewöhnungsphase und eine sechstägige Interventionsphase aufgeteilt. Es wurde zwei Mal täglich 200ml entweder ein polyphenolhaltiger Fruchtsaft oder ein isokalorisches und dunkelgefärbtes Placebo Getränk verzehrt. Es wurden insgesamt 18 ausdauererfahrene Personen im Alter von 18-35Jahren rekrutiert. Vor und nach dem sechstägigen Belastungsprotokoll wurde die Leistungsfähigkeit im Unterkörper sowie verschiedene Biomarker für Muskelschädigungen (ua. Creatinkinase), Entzündungsprozesse (ua. IL-6) und oxidativem Stress (ua. oxLDL) untersucht. Eine genaue Beschreibung des Studienprotokolls, des Probandprofils und der erhobenen Messparameter sind in der original Publikation zu finden (Valder et al. 2024) .
Studie B: Der Einfluss von polyphenolreichem naturtrübem Apfelsaft auf die Darmbarriere nach moderater Ausdauerbelastung und bei Ultramarathonläufer
In Teil 1 der Studie wurde der Einfluss der Getränke nach moderater Belastung Cross-Over, in einem doppelt verblindetem, Placebo-kontrolliertem Design untersucht. Die Effekte derselben Getränke wurden in Teil 2 der Studie nach extrem intensiver Ausdauerbelastung untersucht. In beiden Studienteilen wurde die Funktion der Darmbarriere vor und nach der Belastung bestimmt.
In Teil 1 belasteten sich 19 unspezifisch trainierte Probandinnen und Probanden jeweils für 1h durch Laufen bei 80% die individuelle anaerobe Schwelle. Unmittelbar nach dem Ende der Belastung konsumierten die Läuferinnen und Läufer crossover entweder 500 ml Wasser, 500 ml Apfelsaftschorle (550 mg/L Polyphenole und 57,5 g/L Zucker, Glucose, Fructose and Sacharose) oder ein Getränk identischer Zuckerzusammensetzung das polyphenolfrei war (Placebo). Über einen Zeitraum von 180 min wurden Blutproben genommen und LPS als Marker für die Darmbarrierefunktion untersucht. Zwischen den einzelnen Interventionen lagen jeweils 2 Wochen Erholungszeit.
In Teil 2 beendeten 20 Probandinnen und Probanden einen Ultramarathon (Distanz 160 bis 240 km). Die Finisher wurden in Gruppen eingeteilt und konsumierten jeweils eins der oben beschrieben Getränke. Nach gleichem Schema wurden wieder Blutproben genommen.
Ergebnisse
Studie A:
Nach dem sechstägigen Trainingsprotokoll stiegen die CK-Serumkonzentrationen in beiden Gruppen signifikant an (p ≤ 0,05). Es konnte kein Gruppeneffekt (p >0,05), und keine Gruppe * Zeit-Interaktion festgestellt werden (p >0,05). Sowohl bei den Entzündungsmarkern (IL-6, IL-10) als auch bei der oxLDL Konzentration konnte keine signifikanten Effekte über die Zeit als auch zwischen den Gruppen beobachtet werden (p>0,05). Auch bei der Kraftfähigkeit konnte zwar Tendenzen aber keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden (p>0,05).
Studie B:
Die Ergebnisse unser Studie B Teil 1 zeigten das auch moderate Belastung bereits die Darmbarrierefunktion störten. Allerdings regeneriert diese sehr rasch nach Beendigung der Belastung. Dieser Regenerationsprozess wurde durch keines der untersuchten Getränke messbar beeinflusst. Allerdings wurde durch das konsumieren der Apfelsaftschorle die Cd14 Serumkonzentration beeinflusst, was für einen positiven Effekt auf das Immunsystem spricht.
Nach dem Ultramarathon (Teil2) war die Darmbarriere massiv gestört. Auch hier erfolgte nach Ende der Belastung eine sehr rasche Regeneration. Allerdings wurde diese durch die untersuchten Getränke massiv beeinflusst. Die Anwesenheit freie Zucker im Placebogetränk verschlechtertet die Regeneration deutlich. Nach konsumieren einer Apfelsaftschorle mit gleichem Zuckergehalt erfolgte die Renegation hingegen genauso rasch wie nach Aufnahme von Wasser. Wir gehen daher davon aus das die Anwesenheit der Fruchtsaftmatrix den negativen Einfluss der freien Zucker auf die Darmbarriere entgegenwirkt.
Diskussion
In unser Studie A konnten keine signifikanten pro-regenerativen Effekte eines polyphenolhaltigen roten Fruchtsafts nach einer intensiven Ausdauerbelastung festgestellt werden. Diese Erkenntnisse sind konträr zu vorherigen Untersuchungen (Bowtell und Kelly 2019; Stevanović et al. 2020). Ein vermutlich entscheidender Punkt, ist der Gehalt an Polyphenolen in den Getränken. Im Vergleich zu vorherigen Untersuchungen war in dem handelsüblichen und natürlich hergestellten roten Fruchtsaftgetränk aus Studie A ein deutlich geringerer Anteil an Polyphenolen als in vorherigen Untersuchungen. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass polyphenolhaltige Fruchtsäfte keinen Einfluss auf die Regenerationsfähigkeit besitzt. Entscheidend ist hierbei der Gehalt an Polyphenolen in den Getränken. Eine genaue Aussage zu Dosis-Wirkungsverhältnissen kann derzeit nicht getroffen werden und weitere Untersuchungen sind in diesem Zusammenhang nötig.
Die Ergebnisse der Studie B zeigen, dass polyphenolhaltige Fruchtsäfte und vor allem naturtrüber Apfelsaft das Potenzial besitzt die Darmbarriere nach Ausdauerbelastung zu schützen. Zucker sind wichtig für die Regeneration nach körperlicher Belastung, sie haben aber offensichtlich einen negativen Effekt auf die Funktion der Darmbarriere. Polyphenole auf dem Apfelsaft könne diesen negativen Effekt offensichtlich antagonisieren. Diese Tendenzen konnte sowohl nach einer moderaten Ausdauerbelastung als nach Ultraläufen beobachtet werden (Valder et al 2024). Zudem decken sich die Ergebnisse mit denen einer weiteren Studie von uns bei denen ähnlich Effekte auch in Ruhe unter einer standardisierten Ernährung beobachtet wurden (Staltner et al 2024).
Neben dem bereits bekannten Rehydationseffekten von Fruchtsaftschorlen nach körperlicher Belastung und potentiellen regenerationsfördernden Effekten ist dies einer weiter zusätzlicher positiver Aspekt der für Fruchtsaftschorlen als natürliche Sportgetränke spricht.
Zugrunde liegende Publikationen
Studie A:
Valder, Sarah; Habersatter, Elisabeth; Kostov, Tihomir; Quenzer, Sina; Herzig, Lukas; Bernuth, Jakob von et al. (2024): The Influence of a Polyphenol-Rich Red Berry Fruit Juice on Recovery Process and Leg Strength Capacity after Six Days of Intensive Endurance Exercise in Recreational Endurance Athletes. In: Nutrients 16 (10). DOI: 10.3390/nu16101428
Studie B:
Teil 1. Staltner, R., Valder, Sarah., Wodak, M.F. et al. Sugar-sweetened beverage but not diluted cloudy apple juice consumption induces post-prandial endotoxemia in healthy adults. npj Sci Food 8, 38 (2024). https://doi.org/10.1038/s41538-024-00283-w
Teil 2. Valder, S.; Staltner, R.; Bizjak, D.A.; Esatbeyoglu, T.; Herdegen, V.; Köpsel, M.; Kostov, T.; Bergheim, I.; Diel, P. Effect of Sugar- and Polyphenol-Rich, Diluted Cloudy Apple Juice on the Intestinal Barrier after Moderate Endurance Exercise and in Ultra-Marathon Runners. Nutrients 2024, 16, 1353.
Literatur
- Bowtell, Joanna; Kelly, Vincent (2019): Fruit-Derived Polyphenol Supplementation for Athlete Recovery and Performance. In: Sports medicine (Auckland, N.Z.) 49 (Suppl 1), S. 3–23. DOI: 10.1007/s40279-018-0998-x.
- Cásedas, Guillermo; Les, Francisco; Gómez-Serranillos, María Pilar; Smith, Carine; López, Víctor (2017): Anthocyanin profile, antioxidant activity and enzyme inhibiting properties of blueberry and cranberry juices: a comparative study. In: Food & function 8 (11), S. 4187–4193. DOI: 10.1039/c7fo01205e.
- Chai, Sheau C.; Davis, Kristina; Zhang, Zugui; Zha, Longying; Kirschner, Kenneth F. (2019): Effects of Tart Cherry Juice on Biomarkers of Inflammation and Oxidative Stress in Older Adults. In: Nutrients 11 (2). DOI: 10.3390/nu11020228.
- Farré, Ricard; Fiorani, Marcello; Abdu Rahiman, Saeed; Matteoli, Gianluca (2020): Intestinal Permeability, Inflammation and the Role of Nutrients. In: Nutrients 12 (4). DOI: 10.3390/nu12041185.
- Gill, Samantha K.; Teixeira, Ana; Rama, Luis; Prestes, Jonato; Rosado, Fatima; Hankey, Joanne et al. (2015): Circulatory endotoxin concentration and cytokine profile in response to exertional-heat stress during a multi-stage ultra-marathon competition. In: Exercise immunology review 21, S. 114–128.
- Hill, Garrett W.; Gillum, Trevor L.; Lee, Ben J.; Romano, Phebe A.; Schall, Zach J.; Hamilton, Ally M.; Kuennen, Matthew R. (2020): Prolonged treadmill running in normobaric hypoxia causes gastrointestinal barrier permeability and elevates circulating levels of pro- and anti-inflammatory cytokines. In: Applied physiology, nutrition, and metabolism = Physiologie appliquee, nutrition et metabolisme 45 (4), S. 376–386. DOI: 10.1139/apnm-2019-0378.
- Joseph, Shama V.; Edirisinghe, Indika; Burton-Freeman, Britt M. (2014): Berries: anti-inflammatory effects in humans. In: Journal of agricultural and food chemistry 62 (18), S. 3886–3903. DOI: 10.1021/jf4044056.
- Karhu, Elisa; Forsgård, Richard A.; Alanko, Lauri; Alfthan, Henrik; Pussinen, Pirkko; Hämäläinen, Esa; Korpela, Riitta (2017): Exercise and gastrointestinal symptoms: running-induced changes in intestinal permeability and markers of gastrointestinal function in asymptomatic and symptomatic runners. In: European journal of applied physiology 117 (12), S. 2519–2526. DOI: 10.1007/s00421-017-3739-1.
- Rickards, Lee; Lynn, Anthony; Harrop, Deborah; Barker, Margo E.; Russell, Mark; Ranchordas, Mayur K. (2021): Effect of Polyphenol-Rich Foods, Juices, and Concentrates on Recovery from Exercise Induced Muscle Damage: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Nutrients 13 (9). DOI: 10.3390/nu13092988.
- Sessions, Jenna; Bourbeau, Kelsey; Rosinski, Mattina; Szczygiel, Taylor; Nelson, Rachael; Sharma, Naveen; Zuhl, Micah (2016): Carbohydrate gel ingestion during running in the heat on markers of gastrointestinal distress. In: European journal of sport science 16 (8), S. 1064–1072. DOI: 10.1080/17461391.2016.1140231.
- Staltner, R., Valder, S., Wodak, M.F. et al. Sugar-sweetened beverage but not diluted cloudy apple juice consumption induces post-prandial endotoxemia in healthy adults. npj Sci Food 8, 38 (2024). https://doi.org/10.1038/s41538-024-00283-w
- Staltner R, Burger K, Baumann A, Bergheim I. Fructose: a modulator of intestinal barrier function and hepatic health? Eur J Nutr. 2023 Dec;62(8):3113-3124. doi: 10.1007/s00394-023-03232-7. Epub 2023 Aug 18. PMID: 37596353; PMCID: PMC10611622.
- Stevanović, Vuk; Pantović, Ana; Krga, Irena; Zeković, Milica; Šarac, Ivana; Glibetić, Maria; Vidović, Nevena (2020): Aronia juice consumption prior to half-marathon race can acutely affect platelet activation in recreational runners. In: Applied physiology, nutrition, and metabolism = Physiologie appliquee, nutrition et metabolisme 45 (4), S. 393–400. DOI: 10.1139/apnm-2019-0267.
- Valder, Sarah; Habersatter, Elisabeth; Kostov, Tihomir; Quenzer, Sina; Herzig, Lukas; Bernuth, Jakob von et al. (2024): The Influence of a Polyphenol-Rich Red Berry Fruit Juice on Recovery Process and Leg Strength Capacity after Six Days of Intensive Endurance Exercise in Recreational Endurance Athletes. In: Nutrients 16 (10). DOI: 10.3390/nu16101428.
- Valder, S.; Staltner, R.; Bizjak, D.A.; Esatbeyoglu, T.; Herdegen, V.; Köpsel, M.; Kostov, T.; Bergheim, I.; Diel, P. Effect of Sugar- and Polyphenol-Rich, Diluted Cloudy Apple Juice on the Intestinal Barrier after Moderate Endurance Exercise and in Ultra-Marathon Runners. Nutrients 2024, 16, 1353.
Autoren
ist Biologe Biochemiker und Endokrinologe. Er ist Professor am Institut für Sportmedizin und Keislaufforschung, Abt. molekulare und zelluläre Sportmedzin, Deutsche Sporthochschule Köln sowie Leiter der Arbeitsgruppe molekulare Endokrinologie und Ernährung. Außerdem ist Prof. Diel seit 2008 Honorarprofessor an der Technischen Universität Dresden. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Antidopingforschung / Lebensmitteltoxikologie / Bewegung, Ernährung und Stoffwechselerkrankungen / Physiologische Effekte von Pflanzeninhaltsstoffen / Ernährung und körperliche Leistungsfähigkeit / Hormonelle Effekte auf die körperliche Leistungsfähigkeit (z. B. Menopause und Mestruationszyklus).
ist Biochemiker und Sportwissenschaftler. Er ist Postdoc, IST Hochschule für Management (22h/Woche, 53%), Fachbereich Fitness und Gesundheit, Düsseldorf. Postdoc, Deutsche Sporthochschule Köln (19,75h/Woche, 47%), Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Abt. 2 Molekulare und zelluläre Sportmedizin, Köln. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Antidopingforschung / Lebensmitteltoxikologie / Bewegung, Ernährung und Stoffwechselerkrankungen / Physiologische Effekte von Pflanzeninhaltsstoffen / Ernährung und körperliche Leistungsfähigkeit / Hormonelle Effekte auf die körperliche Leistungsfähigkeit (z. B. Menopause und Mestruationszyklus).