Stellungnahme von Norsan zum Artikel “Nahrungsergänzungsmittel mit Fischöl könnten Risiko für ersten Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen” (erschienen: Ärzteblatt online, 12.06.2024)
Der Artikel nimmt Bezug auf die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie einer chinesischen Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift BMJ Medicine (Chen et al. 2024) . Grundlage hierfür waren die Daten aus der UK Biobank (UKBB)-Studie von 415.737 Teilnehmern im Alter von 40 bis 69 Jahren. 31,4% der Teilnehmer hatten (mittels eines Fragebogens) angegeben, regelmäßig Fischölnahrungsergänzungsmittel (FOS) zu konsumieren.
Bei 18.367 Teilnehmern trat während des etwa 12-jährigen Beobachtungszeitraums Vorhofflimmern auf. Ein Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine entwickelte Herzinsuffizienz wurden bei 22.636 Teilnehmern beobachtet. “Bei denjenigen, bei denen zu Beginn des Beobachtungszeitraums keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt waren, war die regelmäßige Einnahme von Fischölnahrungsergänzungsmitteln mit einem um 13 % erhöhten Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern und einem um 5 % erhöhten Risiko für einen Schlaganfall verbunden.”
Gerne möchten wir wichtige Punkte aufzeigen, die für eine Interpretation der Ergebnisse entscheidend sind:
Diese Studie steht in großem Gegensatz zu den derzeit vorliegenden Erkenntnissen über die Verwendung von Fischöl, die eine Verringerung des Risikos für Herzprobleme – insbesondere Vorhofflimmern, Schlaganfall, Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen – belegen (s. unten).
Chen et al. versäumten es, auf eine der 16 früheren Studien des UKBB einzugehen, die die Einnahme vonFischöl mit positiven Ergebnissen in Verbindung brachten, einschließlich der wichtigsten Studie von Li et al.,die sich ebenfalls auf Herz-Kreislauf-Ergebnisse konzentrierte. In der Studie von Li et al. war jedes Ergebnis in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (mit Ausnahme des Todes durch Schlaganfall), einschließlich der Gesamtsterblichkeit, statistisch signifikant und günstig mit der Einnahme von FOS verbunden. DieErgebnisse von Li et al. stammten aus derselben Kohorte wie die von Chen et al. unter Verwendung derselben Exposition (FOS-Konsum oder nicht).
Mitentscheidend für die geringe Aussagekraft der Ergebnisse von Chen et al. ist, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt. Die Autoren selbst halten darin fest, dass die Resultate keinen kausalen Zusammenhang erlauben.
Weiterhin kritisch zu betrachten ist der Umstand, dass die Teilnehmer selbst entschieden, ob (und wie!) sie die Supplemente (regelmäßig?) einnahmen. Nur etwa 23% der FOS-Gruppe waren zudem laut Statistik älter als 65 Jahre (vs. 77% unter 65 Jahre); von den Nicht-FOS Konsumenten entfielen sogar nur ca. 14% auf diese Altersgruppe. Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für die untersuchten Erkrankungen und hätten aus diesem Grund stärker statistisch repräsentiert sein müssen.
Des Weiteren fehlen jegliche Informationen sowohl über Dosierungen als auch die Formulierung der verwendeten FOS. Außerdem basieren die Angaben ausschließlich auf selbstberichteten Angaben derProbanden mittels Fragebögen. Dies ist ein weitaus weniger objektives Maß für die Omega-3-Aufnahme und den Omega-3-Status als die tatsächlichen Blutspiegel von Omega-3-Fettsäuren. Damit ist keine Aussage über einen dosis- sowie spiegelabhängigen Effekt möglich.
Bereits 2014 wurde der Zusammenhang von Vorhofflimmern mit dem Spiegel von EPA und DHA untersucht (Metcalf et al. 2014).Hierbei zeigte sich:
Es besteht eine U-förmige Beziehung (siehe Skizze) zwischen dem Omega-3 Index und dem Risiko des Vorhofflimmerns. D.h.ein zu niedriger Spiegel ist nicht förderlich und ein zu hoher Spiegel ebenfalls nicht. Der Optimal-Bereich lag bei einem Index zwischen9,21 und 10,44 %. Also in dem Bereich, der vom Labor Omegametrix für den HS-Omega-3 Index®empfohlen wird (8 – 11 %). Welche Dosierung zur Erreichung eines solchen Spiegels benötigt wird, ist hierbei individuell und unterscheidet sich allein auf Basis persönlicher, individueller Faktoren bis zu 13-fach (Köhler et al. 2013).
Risikofaktoren für die Entstehung des Vorhofflimmerns sind multifaktoriell. Neben Lebensstilfaktoren wie Alkohol und Rauchen zählen auch Indikationen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Übergewicht und Diabetes Mellitus Typ II dazu. Sämtliche der genannten Erkrankungen profitieren jedoch von einer Optimierung des Omega- 3 Index,sodass indirekt auch das Risiko des Vorhofflimmerns und insbesondere das Risiko des Schlaganfalls gesenkt werden dürfte. Der Schlaganfall ist die gefürchtete Komplikation des Vorhofflimmerns, und der positive Einfluss von EPA und DHA auf das Schlaganfallrisiko konnte eindrücklichvon den Autoren der REDUCE-IT Studie gezeigt werden, die in Abhängigkeit der Omega- 3 Spiegel eine Risikoreduktion für den Schlaganfall um 50 % (!) erreichten.
Fazit: Der Omega-3 Spiegel in den Zellmembranen ist entscheidend und das Vorgehen „Messen- Analysieren-Regulieren“ stellt den optimalen Ansatz dar, wenn die Gesundheit mit Hilfe von Omega-3 bestmöglich unterstützt werden soll.
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Ergänzend hierzu können Sie sich in der Mediathek im Fachkreisportal von Norsan den Mitschnitt des Seminars „Omega-3 und Vorhofflimmern – Risiko- oder Schutzfaktor“ mit Prof. Dr. von Schacky anschauen. Zum Seminarmitschnitt
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an wissenschaft@norsan.de.