Lange Zeit galt die Sportmedizin als ein Feld, das zum einen ausschließlich auf Leistungssportler und Athleten zugeschnitten war und zum anderen nur die Performance und Leistungssteigerung im Fokus hatte. Diese Sichtweise gehört zu Recht der Vergangenheit an.
Unsere Gesellschaft hat im Allgemeinen ein größeres Regenerations- als Performance-Problem. So schreibt z. B. das RKI in seinem Schwerpunktbericht Psychische Gesundheit in Deutschland 2021, dass „psychische Belastungen nicht nur in der Wahrnehmung der Bevölkerung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen haben, sondern dass sie sich auch in der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen und in arbeitsbezogenen Produktivitätsverlusten widerspiegeln“ (www.rki.de). Psychosoziale Belastungen sind in unserer Gesellschaft fest verankert und lösen oft stressbedingte Erkrankungen aus, die auch zu physischen Beschwerden führen können. Sogar das Risiko, Long-Covid zu entwickeln ist laut einer 2022 in den USA veröffentlichten Studie, die 55.000 Teilnehmende auswertete, um knapp 50 % erhöht, wenn neben der Angst vor der Infektion noch ein weiterer Stressfaktor hinzukommt (JAMA Psychiatry. DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2022.2640).
Die Sportmedizin bietet auch hier einen großen Rahmen, der zur Lösung des Problems beitragen kann. Denn sie dient einer modernen, gesunden wie prophylaktischen Gesellschaft – „Serving a better society“! Die Stärke liegt in ihrer Fülle und Verbindung unterschiedlicher Fachrichtungen. Kein Gegeneinander verschiedener Optionen oder Aufzeigen von Differenzen, sondern ein Verbinden und Zusammenbringen dieser Optionen und Potenziale. Kein unspezifisches Kritisieren, sondern ein gemeinsames Entwickeln und Erarbeiten spezifischer Lösungsansätze. Daraus kann etwas ganz Neues entstehen, das bis hin zu einem gesellschaftlichen Wandel führen kann. Ein Beispiel dafür stellt die Prähabilitation dar. Letztendlich verbindet alle Fachrichtungen in der Sportmedizin der Wunsch, dem Sportler und Patienten zu helfen. Ihn zu unterstützen, „reparieren“, operieren, konservativ-regenerativ therapieren und dafür zu sorgen, dass ihm erst gar kein Schaden zustößt, gemäß dem hippokratischen Grundsatz „Primum non nocere“ – erstens nicht schaden. Zur Prophylaxe gehört in diesem Zusammenhang auch die Regeneration, bei der es klare Strukturen und Handlungsempfehlungen gibt. Siehe dazu „Sport, Recovery and Performance“ von Michael Kellmann, bei dem neben klassischen Regenerationsmethoden (physical & natural strategies) wie Schlaf, Ernährung, Kälte etc. auch Communication & Psychosociological recovery modalities inkl. eines klaren Educations-Angebots an den Patienten, Stichwort Selfmanagement / Anleitung zur Relaxation (für den Erfolg muss es vom Patienten angenommen werden – Compliance) eine wichtige Rolle spielen. Der Athlet als „psychosociophysiological entity“ (Kenttä &. Hassmén, 2002).
Und manchmal eben einfach weglassen, anstatt noch mehr hinzufügen. Optimal ist an dieser Stelle die Integration / Verweis der Psychoneuroimmunologie (PNI), deren Ergebnisse wissenschaftlich gesichert sind und die den Rahmen der Sportmedizin effektiv erweitern darf, was uns in einem persönlichen Video-Diskurs von Prof. Dr. Christian Schubert nähergebracht wurde. Auszüge daraus sowie weitere Infos zur PNI folgen in der Herbstausgabe (04/23). Eine interessante Fortbildung zur Relaxationstherapie sowie eine Studie der University of Sydney (Dr. Judy Lovas), mit der wir ebenfalls im Austausch sind, finden Sie hier – PNI based relaxation therapy als Recovery Ansatz.
Bringen Sie mit uns gemeinsam das zusammen, was zusammengehört! Im Rahmen einer offenen und verbindenden Sportmedizin.
Autoren
ist Dipl. Sportwissenschaftler, Gründer und Herausgeber der sportärztezeitung sowie Gründer und Geschäftsführer von thesportgroup GmbH aus Mainz.
ist Chefredakteur der sportärztezeitung.