Kardiomyopathien sind weitaus häufiger, als früher angenommen wurde. Viele Patienten haben keine Beschwerden. Dies und die große Bedeutung von Sport für die körperliche Fitness und Lebensqualität haben dazu geführt, dass die Zeit strenger Verbote, wie sie früher bei Betroffenen häufig ausgesprochen wurden, vorüber ist.
Zu den Annahmen, die lange Zeit dazu geführt haben, Patienten mit Kardiomyopathien ein grundsätzliches Sportverbot zu erteilen, gehörte die Befürchtung einer Verschlechterung der kardialen Funktion durch Sport sowie die Sorge um ein vermehrtes Auftreten von bedrohlichen Rhythmusstörungen beim Sport. Insbesondere die Teilnahme an Wettkampfsport galt früher als undenkbar. Vor dem Hintergrund, dass sich diese Einschätzungen im Laufe der letzten Jahre geändert haben, werden nachfolgend die für die wesentlichen Formen von Kardiomyopathien gemachten Empfehlungen zur Durchführung von Sport und zur Teilnahme am Wettkampfsport zusammengefasst, wie sie in den 2023 veröffentlichten Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology ESC) zum Management von Patienten mit Kardiomyopathien formuliert wurden [1].
Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
Die HCM galt lange Zeit als Paradebeispiel für Herzerkrankungen, von denen angenommen wurde, dass ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Rhythmusstörungen und Todesfälle während sportlicher Betätigung besteht. Mittlerweile ist gut belegt, dass die Ereignisrate deutlich geringer ist, als früher angenommen wurde. Regelmäßiger Sport mit geringer bis mittlerer Intensität wird allen Patienten mit einer HCM, die hierzu in der Lage sind, empfohlen [1]. Wie für viele andere Empfehlungen der Leitlinien gilt auch hierbei, dass es sich um eine Expertenempfehlung handelt (Klasse IC-Empfehlung). In Bezug auf Wettkampfsport ist ein individuell angepasstes Vorgehen erforderlich. Nach einer umfassenden Bewertung und einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patienten und Behandlern können erwachsene Sportler mit milden klinischen HCM-Manifestationen und einem niedrigen ESC-Risikoscore die Teilnahme an gewissen Wettkampfsportarten erwägen. Ausgenommen sind Sportarten, bei denen das Risiko von Verletzungen, z. B. durch eine Synkope, oder die Gefährdung anderer erhöht ist. Die 2024 erschienene amerikanische Leitlinie zum Management der hypertrophen Kardiomyopathie ist hier tendenziell etwas großzügiger, es werden weniger Grenzen aufgezeigt [2]. Auch sie betont die Notwendigkeit einer kritischen Diskussion des Vorgehens und einer geteilten Entscheidungsfindung. Regelmäßige, sorgfältige Kontrolluntersuchungen werden empfohlen. Ein genotypisch positiver, phänotypisch negativer Status (Nachweis einer krankheitsverursachenden Genvariante, ohne dass sich Zeichen der Erkrankung nachweisen lassen) sollte nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen von HCM sein und schließt daher die Teilnahme an Wettkampsport nicht aus [1, 2].
Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
Laut der Leitlinie können optimal behandelte, asymptomatische Patienten mit einer DCM und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von mindestens 50 % die Durchführung der meisten kompetitiven Sportarten in Betracht ziehen, sofern sie keine belastungsinduzierten Rhythmusstörungen oder ein Mokardfibrose in der Magnetresonanztomografie aufweisen [1]. Bei einer Ejektionsfraktion von 40 – 49 % sollte ein moderates Ausmaß an Belastung nicht überschritten werden. Alle symptomatischen Patienten mit DCM sollten Sport, der über eine geringe Intensität hinausgeht, vermeiden. Patienten mit Mutationen, die mit einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Arrhythmien verbunden sind (z. B. Lamin A / C- oder TMEM43 -Mutation), sollten grundsätzlich davon abgeraten werden, hoch-intensive Belastungen durchzuführen und / oder an Wettkampfsportarten teilzunehmen. Andere genotypisch positive, phänotypisch negative Personen dürfen an allen Sportarten teilnehmen. Kontrolluntersuchungen sollten mindestens jährlich erfolgen [1].
Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC)
Von einer ARVC Betroffene sollten nicht an Wettkampfsportarten teilnehmen und ihre körperliche Aktivität auf Freizeitaktivitäten geringerer Intensität beschränken, da ansonsten mit einer nicht vorhersehbaren und prognostisch in der Regel ungünstigen Progression der Erkrankung zu rechnen ist. Auch bei einer genotypisch positiv / phänotypisch negativ-Konstellation sollten hochintensive Belastungen und Wettkampsport vermieden werden. Die Leitlinienautoren heben hervor, dass die Daten-
lage bei dieser Konstellation sehr spärlich ist. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist wichtig.
Nicht-dilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie (NDLVC)
Für die NDLVC gelten die gleichen Empfehlungen wie bei einer DCM (siehe oben). Der genetische Befund sollte, wenn vorhanden, berücksichtigt werden. Zum Einfluss von Sport liegen bei diesem Krankheitsbild nur sehr wenige Untersuchungen vor. Es muss gegenüber einer klassischen DCM und einer ARVC abgegrenzt werden – in Einzelfällen kann dies unmöglich sein. Grundsätzlich gilt für vererbte Kardiomyopathien, dass das Ausmaß an Überlappung der einzelnen Krankheitsbilder größer ist, als lange Zeit angenommen wurde.
Restriktive Kardiomyopathie (RCM)
Bei den RCMs handelt es sich um eine heterogene Gruppe von eher seltenen Erkrankungen, bei denen eine oft erhebliche Beeinträchtigung der diastolischen Funktion im Vordergrund steht. Letztere steht sportlichen Aktivitäten größeren Ausmaßes meistens im Wege. Wettkampfsportarten kommen in der Regel bei relevanter RCM nicht in Betracht. Nicht selten bildet sich schon in jungen Jahren eine schwere Herzinsuffizienz aus, die Prognose ist erheblich eingeschränkt [1].
ICD-Träger
Der Wunsch des Sportlers mit Kardiomyopathie, am Wettkampf teilzunehmen, sollte keine primäre (oder die einzige) Indikation für die Implantation eines ICD darstellen [1]. Es sollte daran erinnert werden, dass der ICD maligne Arrhythmien, insbesondere während intensiver körperlicher Aktivität, nicht verhindert. Die Teilnahme an Wettkampfsportarten mit einem ICD kann nach sorgfältiger Abwägung des Typs der zugrunde liegenden Kardiomyopathie und der Risiken der Sportteilnahme, nach gemeinsamer Entscheidungsfindung, in Betracht gezogen werden [1].
Sorgfältige Abklärung und Nachkontrollen
Kardiomyopathien sind komplexe Krankheitsbilder, die ausführlich diagnostisch abgeklärt und im Langzeitverlauf sorgfältig kontrolliert werden müssen. Die Magnetresonanztomografie (MRT) gehört heutzutage mit zum diagnostischen Standard. Die sich ergebenden Befunde spielen auch bei der Beurteilung der Sporttauglichkeit eine große Rolle. Eine besonders große Rolle spielt hierbei der Nachweis einer Fibrose, von der angenommen wird, dass sie die Neigung zum Auftreten von bedrohlichen Rhythmusstörungen erhöht. Auch der molekular-genetische Befund gewinnt bei der Beurteilung der Sportfähigkeit zunehmend mehr an Stellenwert.
Gemeinsame Entscheidungsfindung
Die Leitlinie betont an vielen Stellen, dass ein medizinisch fundierter individualisierter Ansatz beim Management von Kardiomyopathien im Vordergrund stehen muss. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit Sport, gegebenenfalls auch Wettkampfsport, möglich ist. Eine geteilte Entscheidungsfindung ist notwendig. Die persönlichen und beruflichen Konsequenzen, die sich für den Patienten ergeben können, erfordern Respekt. Die Rollen verschiedener Interessengruppen wie Trainer, Coaches, Sportorganisationen sowie länderspezifische Normen und Rechtssysteme sind Aspekte, die ebenfalls den Prozess die geteilte Entscheidungsfindung beeinflussen [1].
Literatur
[1] Arbelo E, Protonotarios A, Gimeno JR, et al. 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies.
Eur Heart J 2023;44:3503 – 3626.
[2] Ommen SR, Ho CY, Asif IM, et al. 2024 AHA/ACC/AMSSM/HRS/PACES/SCMR Guideline for the Management of Hypertrophic Cardiomyopathy. Circulation 2024;149:e1239 – e1311.
Autoren
ist Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie. Seit 2002 arbeitet er an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und lehrt dort als planmäßiger Professor (Professur für Elektrophysiologie). Seit 2018 ist er zusätzlich in der kardiologischen Praxis am Spreebogen in Berlin tätig.