Die letzte Datenerhebung zur Prävalenz der Adipositas erfolgte bereits vor einigen Jahren, aktuelle Daten – Fehlanzeige. Bereits die ersten Ergebnisse der NAKO-Gesundheitsstudie zeigten eine Prävalenz von Übergewicht oder Fettleibigkeit von etwa 70 % bei Männern und 51 % bei den Frauen [1].
Weiterhin wird der BMI als Maß der Gesundheit genutzt, obwohl hierbei keine Unterscheidung zwischen Fettmasse und fettfreier Masse möglich ist. In Anlehnung an den Vortrag von Prof. Worm auf dem diesjährigen PreventionUpdate ist die Empfehlung zur tatsächlichen Risikobewertung sowie zur Evaluation „wichtiger prognostischer Informationen über das Sterberisiko einer Person“ die Bestimmung der Körperzusammensetzung [2].
In Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko besteht ein wichtiger Risikoindikator in der Form der Fettspeicherung. Kann sich das subkutane Fettgewebe ausdehnen und die Lipide aufnehmen, liegt hier eine stoffwechselaktive subkutane Adipositas vor. Kommt es jedoch zu einer Dysfunktionalität des subkutanen Fettgewebes, erfolgt die Aufnahme der Triglyceride, welche durch einen Energieüberschuss aufgenommen werden, an ungünstige Stellen wie dem viszeralen Fettgewebe. In der Folge entstehen ektope Fettdepots, welche durch ein geändertes Stoffwechselprofil gekennzeichnet sind und mit einem erhöhten kardiometabolischen Risiko einhergehen [3].
Ziel ist es, zusätzlich zur körperlichen Aktivität einen Energieüberschuss über die Ernährung zu vermeiden. Schnell verdauliche Kohlenhydrate mit ihren Amylopektinen führen bereits im Duodenum zur Ausschüttung von GIP (gastrininhibierendes Polypeptid). Folgend sinkt die Fettoxidation im Muskel, es kommt zu einer vermehrten Insulinsekretion, die Lipolyse wird gehemmt und eine inflammatorische Reaktion begünstigt. In der Beratung ist daher der Fokus auf langsam verdauliche Kohlenhydrate in einem an das Individuum angepassten Maß zu setzen. Diese werden in den tieferen Darmabschnitten verdaut und führen zur Ausschüttung von GLP-1. Dies wiederum begünstigt die Insulinsensitivität, vermindert den Appetit und die Magenentleerung und wirkt kardioprotektiv. Ebenso wichtig erscheint die Zufuhr von unverarbeiteten Lebensmitteln, wie die Studie von Hall et al zeigt [4]. Hier konnte gezeigt werden, dass im Vergleich zweier Diäten mit identischem Gehalt von Zucker, Fett und Ballaststoffen mit ultra-hochverarbeiteten Lebensmitteln im Mittel 500 kcal mehr pro Tag aufgenommen wurden.
Welche Empfehlungen sollten wir unseren Klienten nun geben?
Sehr niedrig-kalorische vs. kalorienreiche Reduktionsdiäten – hier zeigt sich in Metaanalysen kurzfristig, d. h. in weniger als sechs Monaten, ein zuverlässiger, größerer Gewichtsverlust im Rahmen der sehr niedrig-kalorischen Diäten. Dieser Effekt nimmt allerdings langfristig (>12 Monate) ab. Formula-Diäten hingegen zeigen sowohl kurz- als auch langfristig die größeren Gewichtsabnahmen als herkömmliche Reduktionsdiäten. Skurk et al fassen in ihren „Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes mellitus“ zusammen, dass Formula-Diäten „im Rahmen eines Gewichtsreduktionsprogrammes zu einer ausgeprägten Gewichtsreduktion verbunden mit einer anhaltenden Diabetes-Remission“ führen, welche einer bariatrischen Operation vergleichbar ist [5]. Wichtig zu beachten sind hierbei die Zusammensetzungen der Formula-Produkte, sowohl in Bezug auf die Makro- als auch Mikronährstoffe.
Zur Umsetzung für und mit unseren Klienten empfiehlt sich die Goldene Regel des Abspeckens nach Prof. Nicolai Worm: „Finde eine Ernährungsform, mit der du dich – bei merklicher Energiereduktion – gleich gut gesättigt und satt fühlst und vergleichbar befriedigt bist, wie mit der vorherigen Kost!“ [6]
Literatur
(1) Fischer B, et al. Anthrpometrische Messungen in der NAKO Gesundheitsstudie. Mehr als nur Größe und Gewicht. Bundesgesundheitsblatt 2020;63:290-300;DOI: 10.1007/s00103-020-03096-w
(2) Sedlmeier AM et al. Relation of body fat mass and fat-free mass to total mortality: results from 7 prospective cohort studies. AM J Clin Nutr. 2021; 113 (3): 639-646; DOI: 1-0.1093/ajnc/nqaa339.
(3) Chartrand DJ, et al. Overweight, Obesity and CVD Risk: a Focus on Visceral/Ectopic Fat. Curr Atheroscler Rep 2022;24(4):185-195; DOI: 10.1007/s11883-022-00996-x
(4) Hall KD et al. Ultra-Processed Diets Cause Excess Calorie Intake and Weight Gain: An Inpatient Randomized Controlled Trial of Ad Libitum Food Intake. Cell Metab 2019;30(1):67-77; DOI: 10.1016/j.cmet.2019.05.008.
(5) Skurk T et al. Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes-mellitus. Diabetologie 2021; 16(Suppl 2):S.255-289
(6) Worm/Lemberger/Mangiameli: „Flexi-Carb“, Riva-Verlag, München 2015 und Worm/Lemberger/Mangiameli: „Die neue LOGI-Diät“, Riva-Verlag, München 2020
Autoren
ist Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Sie leitet die Praxis für Sport- und Präventivmedizin in Mainz und ist Mannschaftsärztin des 1. FSV Mainz 05.